Monthly:Juni 2016
Heute ist ein besonderer Tag!
Paul Stecken wird genau 100 Jahre alt und die H.Dv.12/1912 wird heute 104 Jahre alt. Irgendwie sollte es wohl so sein, dass die Heeresdienstvorschrift 1912, der Vorläufer der heute noch gültigen Version von 1937 und Paul Stecken am gleichen Tag geboren sind.
Herr Stecken ist der letzte Große Alte, der unsere Reitauffassung – die überlieferten Grundsätze der Ausbildung, wie er sie nennt – noch mit aller Konsequenz vertritt. Das hat er mit seinem kleinen Buch „Bemerkungen und Zusammenhänge“ (FN-Verlag, 2016) ganz deutlich beschrieben. Viele Tausend Menschen haben dieses Buch mittlerweile gekauft und gelesen. „Es ist ein Dokument“, wie er es so schmunzelnd formuliert. Das letzte, was sich noch absolut an unserer Reitkunst orientiert.
Wer Herrn Stecken kennt, der wird seinen Charm, seinen Esprit, seinen schnellen Geist und die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu formulieren und unauffällige Seitenhiebe zu verfassen genauso lieben wie ich. Seit 10 Jahren gibt er mir schon die Möglichkeit, sein Wissen aufzusaugen.
Ich weiß nicht, wie viele Gespräche und Telefonate wir in dieser Zeit geführt haben, wie viel gedeckten Apfelkuchen mit Sahne und Sachertorte wir in der Zeit zusammen gegessen haben. Es sind die besten Momente in meinem Reiterleben. Wie oft haben wir auch meine Ritte besprochen. Dann hatte er ein Video und hat immer so nett auf meine Fehler hingewiesen. Mal sagte er: „Das lockere Handgelenk ist sehr wichtig!“ Das war die nette Hinweis darauf, dass mein Handgelenk in einem Moment einer Lektion eben nicht locker war mit der Konsequenz, dass auch Halbe Paraden nicht so gefühlvoll gegeben werden konnten, so, dass sie für den Betrachter fast unsichtbar gewesen wären.
War die Nase mal nicht an der Senkrechten, dann luckte er über seine Brille und meinte schmunzelnd: „Ein Vorlassen des Halses muss immer gestattet werden!“ An so viele Dinge erinnere ich mich gerade heute und ich hoffe, dass mir und uns allen dieser einzigartigen Mensch noch lange lange erhalten und gewogen bleiben wird!
Hiermit möchte ich einem wunderbaren Menschen dafür danken, dass ich einer der Menschen sein darf, die noch Raum in seinem noch immer mehr als ausgefüllten Leben haben.
Ich wünsche ihm noch viele zufriedene Jahre!
Das ist mein Wildi!
von Lisa Thoben
Seit Dezember 2015 haben wir die Diagnose Kissing Spine mit einem stark ausgeprägten Befund. Das zu erfahren war ein großer Schock, aber ich habe mich entschieden, das mit ihm durchzustehen und habe zum Glück nach langem Suchen jemanden gefunden der mir dabei hilft! Anne Schmatelka steht uns immer zur Seite, wofür ich unendlich dankbar bin! Hier möchte ich Euch teilhaben lassen an unserem bisherigen Weg und hoffe, dass das Mut macht, nicht aufzugeben, wenn einem dieser Befund mitgeteilt wird!
Ich hatte eigentlich nie so ganz das Gefühl, dass mit meinem Pferd alles hundertprozentig in Ordnung ist. Erklären konnte ich es nicht. Ich habe ihn nun seit zwei Jahren. Schon als ich ihn gekauft habe war er viel zu dünn, unförmig und falsch bemuskelt (was mir damals noch nicht auffiel, da mir das nötige Wissen fehlte). Lange dachte ich, er sei einfach nur total faul. Allein von der Abstammung her hätte er aber viel mehr Bewegungsdrang haben müssen. Um jeden Schritt musste ich betteln, nach dem Reiten war ich schweißnass und alle haben gesagt, ich sollte mich endlich einmal durchsetzen, der würde mich nur verarschen. Da ich davon aber nie so ganz überzeugt war, habe ich schon damals versucht herauszufinden, woran das denn wirklich liegen könnte. Blutbild, Osteopathietermine, Lesen, Lesen und noch mehr Lesen. So wirklich etwas verbessern konnte ich trotzdem nicht. Im Gegenteil, irgendwann während einer Springstunde war es dann vorbei. Wildi blieb stehen und wollte ab da nicht mehr galoppieren. Auch Schritt und Trab wurden immer mühsamer. Sogar im Gelände wollte er nicht mehr vorwärts. Aber keiner hat mich ernst genommen. Auch die „Experten“ waren immer noch der Meinung, dass da nichts wäre und dass ich mich endlich durchsetzen sollte…
Zum Glück hat eine befreundete Tierärztin – die selbst reitet – davon gehört und mir geraten, den Rücken sofort röntgen zu lassen, da sie der Überzeugung war, dass Pferde die sich so verhalten wahrscheinlich Schmerzen haben. Diese Bestätigung hatte ich irgendwie gebraucht und habe dann auch endlich Bilder machen lassen. Dabei bestätigte sich das, was ich insgeheim schon lange befürchtet hatte. Kissing Spines. Da brach für mich eine Welt zusammen! Ich dachte: Das war‘s jetzt.
Nachdem ich unendlich viele Meinungen von endlos vielen Menschen und auch Ärzten gehört habe, die von Einschläfern über einfach vorwärts abwärts reiten alles beinhalteten, mir jedoch keiner richtig helfen wollte oder konnte, habe ich zum Glück das Buch „Über den Rücken“ (handelt von Rückenproblemen beim Pferd) von Anne Schmatelka gelesen und Kontakt zu ihr aufgenommen. Sie hat mir dann sehr schnell geantwortet und angeboten, mir zu helfen.
Die Reise beginnt
Einen Monat später sind wir dann von Bayern nach Niedersachsen zu ihr gefahren. Das ist jetzt drei Monate her und es war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Und heute bin ich überzeugt, auch die einzige, die Wildi ein schmerzfreies und schönes Pferdeleben ermöglichen konnte.
Vor der Reise hat er erst einmal Mittel gegen die Schmerzen und Entzündungen im Rücken bekommen. In den drei Wochen habe ich ihn nur auf die Koppel gestellt und ihn verwöhnt wo es nur ging. Das fand er glaube ich auch gar nicht so schlecht und man hat sofort gemerkt, dass ihm das gut tat. Das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, es geht ihm wirklich etwas besser. Im Gegensatz zu den Spritzen und der Stoßwelle, die er vorher auf Anordnung des Tierarztes bekam. Da konnte man nämlich leider keine Verbesserung feststellen… Geritten hatte ich ihn bis zu dem Zeitpunkt schon fast drei Monate nicht mehr. Heute bin ich mehr als froh, dass ich da immer auf mein Bauchgefühl gehört habe. Hätte ich auf den Rat vom Arzt gehört, nämlich einfach weiterzumachen, hätte ich ihm noch mehr Schmerzen zugefügt.
Bevor wir mit dem eigentlichen Training beginnen konnten, kam erst einmal die Osteopathin. Die erste übrigens, die vorhandene Blockaden wirklich gelöst hat und ihm durch ihre Arbeit Erleichterung schaffen konnte, so dass auch die vielen, teilweise sehr alten Bewegungseinschränkungen beseitigt werden konnten. Der erste Schritt zurück in ein schmerzfreies Reitpferdeleben. Ich bekam Hausaufgaben und Massageübungen gezeigt, die ich jeden Tag wiederholte. Unterstützend durfte er die Equusir BIOS System Decke tragen, die er vom ersten Moment an liebte.
Frank Diekmann hat ihn dann zusätzlich noch anders beschlagen. Er stolperte auf einmal nicht mehr und hatte durch die perfekte Anpassung auf ihn und seine Bedürfnisse auch eine Entlastung im Rücken.
Frank Wohlhorn hat parallel einen Sattel angemessen, denn von meinen Sätteln passte keiner und das, obwohl ich dachte, einen guten Sattler zu haben. Meine Sättel waren so unpassend und viel zu eng, dass Anne Schmatelka schon beim ersten Auflegen der Sättel sagte: „Die nehmen wir nie wieder. Das muss sich Frank anschauen!“.
Gleichzeitig haben wir auch das Futter umgestellt. Wildi war schon immer etwas schlechtfuttrig und hat viele Futterzusätze nicht dauerhaft aufnehmen wollen. Michael Dierks von Mühldorfer hat uns dann ein ganz spezielles Aufbaufutter empfohlen. Das hat ihm von Anfang an super geschmeckt und er hat nie ein Körnchen übrig gelassen. Wir haben dann auch auf dreimal Kraftfutter am Tag umgestellt und ich habe ihm sein Müsli mittags auf die Weide gebracht. Wenn er den Eimer sah, kam er schon angetrabt und hat freudig gegrummelt und gewiehert. Total süß!
Nachdem alle Rahmenbedingungen passten haben wir begonnen zu longieren. Erst an der einfachen Longe und dann an der Doppellonge. Schon nach dem ersten Mal „richtig Longieren“ begann er zufrieden abzuschnauben und ging etwas besser vorwärts. Bis zu dem Zeitpunkt bin eigentlich nur ich bis zur Erschöpfung gerannt und mein Pferd wollte sich überhaupt nicht bewegen.
Reiten beginnt!
Nach knapp drei Wochen durfte ich dann das erste Mal wieder in den Sattel. Er war zwar fleißiger als früher, aber so richtig geändert hatte sich noch nichts, obwohl er schon ein wenig an Masse und Muskulatur zugelegt hatte. Von da an bekam ich Sitzschulungen an der Longe. Es war frustrierend, denn ich hatte das Gefühl, ich kann eigentlich gar nichts und begann jeden Tag mehr, mein Können und Wissen übers richtige Reiten zu hinterfragen. Mit der Zeit hat Anne dann angefangen Wildi mit zu reiten und auch auszubilden. Denn von Ausbildung oder nur im Ansatz gerade gerichtet sein, konnte man überhaupt nicht sprechen. Auch das war mir nie wirklich bewusst gewesen. Sie hat ihn geritten, wie eine junge Remonte und das, obwohl er schon neun Jahre alt ist. Galoppiert hat sie ihn die ersten Tage überhaupt nicht. Er war noch so steif, machte sich schief, sprang nicht durch und klemmte. Nach ungefähr zwei Wochen wollte er dann auf einmal von sich aus angaloppieren. Das war für mich einer der schönste Momente überhaupt!
Nach fast sechs Wochen musste ich dann leider wieder nach Hause fahren. Ich habe mich dazu entschieden meinen Wildi bei Anne zu lassen und jedes Wochenende zu ihm zu fahren. Er hat seitdem schon so große Fortschritte gemacht, dass es mir richtig schwerfällt mitzuhalten. Obwohl ich seit gut 15 Jahren reite und auch immer Dressur- und Spring-Unterricht hatte, weiß ich heute, dass ich leider eigentlich nichts gelernt habe…zumindest nichts, was mit pferdegerechtem Reiten und Gymnastizieren zu tun hat. Ich konnte mein Pferd zwar super mit der Hand zusammenziehen und auch irgendwie durch einen Parcours quetschen, aber mit richtigem Reiten hatte das nichts zu tun…
Momentan bin ich froh, wenn ich es schaffe anzutraben. Das klingt unmöglich, ist aber wirklich so. Mein Pferd reagiert nämlich mittlerweile auf minimale Hilfen und wenn ich meine Hüfte einen Tick zu weit in die falsche Richtung drehe, läuft Wildi im Kreis oder traversartig schief durch die Bahn. Ich hätte niemals gedacht, dass Reiten in Wirklichkeit so unfassbar schwer ist. Doch mein Großer ist der beste Lehrer, den ich haben kann. Er versteht so viel mehr als ich und kann das richtige auch tausendmal schneller umsetzen. Anne zitiert in diesen Momenten dann immer Herrn Stecken: „Die Pferde gehen so gerne richtig….“. Das ist so wahr. Dann sind sie zufrieden und machen es gerne….
Ich schäme mich für jedes Mal, das ich meinem Pferd in der Vergangenheit mit Grobheit, Unwissenheit und fehlender Fairness Unrecht getan habe. Nicht nur wegen seinem Befund, den ich auch mit verschuldet habe, sondern auch, weil er mir immer wieder vergeben hat und mir so viele Chancen gab, es endlich richtig zu machen. Er hat mir immer all‘ seine Liebe geschenkt und dafür bin ich unendlich dankbar. Mit Anne an meiner Seite habe ich nun das erste Mal in meinem Leben als Reiter das Gefühl oder viel mehr die Gewissheit es richtig zu machen und die Veränderungen meines Pferdes geben uns mehr als Recht.
Danke Anne
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Mehr dazu auch auf unserem Expertenblog von ehorses!
An sich gibt es ja nichts Neues in der Reiterei zu erfinden, sondern nur Bewährtes zu bewahren. Wenn man aber „interessiert“ die heutigen Fachbücher und Magazine liest und die endlosen Massen an Videos anschaut, wird man verwundert sein, wie viel geniale Kreationen es allenthalben so gibt.
Die Frage ist nur: Braucht man das oder schafft es nur weitere Verwirrung …?
In dem folgenden Artikel haben wir einige kreative Formulierungen ausgewählt und versucht, diese richtig zu interpretieren.
Das war gar nicht mal so einfach 🙂
Begriffe – Begriffe ….
General a. D. Horst Niemack hat zu Lebzeiten einmal etwas ganz Zutreffendes über die Ausbildung des Pferdes gesagt: „Es gibt nichts Neues zu erfinden, nur Bewährtes zu bewahren.“
- Biomechanische Abläufe sind seit Jahrhunderten bekannt und haben sich nicht verändert, der Muskelaufbau eines Pferdes hat sich nicht verändert und er lässt sich nicht beschleunigen. Muskeln wachsen seit Jahrtausenden nur in Millimeter-Schritten. Auch das wird sich nicht ändern.
- Die Pferde lernen in der gleichen Geschwindigkeit wie früher.
- Sie sind nicht belastbarer als früher.
- Sie brauchen den gleichen vorsichtigen und bedachten Umgang wie früher.
Nur die Zucht hat von Charakter und Gebäude vieles bewegt. Die Pferde sind gutmütig, leistungsbereit, haben ein für das Reiten bestens geeignetes Gebäude, sind sehr rittig, haben traumhafte Bewegungen und ein gewaltiges Sprungvermögen.
Diese Veränderungen scheinen die Reiterwelt offensichtlich dazu zu verleiten, auch neue Begriffe zu entwickeln.
Diese Begriffe jedoch schaffen in vielen Fällen nur Verwirrung!
„ der Kopf-Hals-Winkel muss möglichst groß sein…“
BU: Misst man da wohl den Kopf-Hals-Winkel?
Der Kopf-Hals-Winkel. Da geht das Leid schon los. Wo ist der denn um Himmelswillen? Misst man da vom Backenknochen bis zum Hals? Oder ist damit die Ganasche gemeint?
Wie kann man ausmessen, dass er ziemlich groß ist? Soll er 90° haben oder weniger? Braucht man jetzt ein Geodreieck, um einschätzen zu können, wann er richtig ist?
Dann wiederum sagt ein bekannter deutscher Offizieller: „Ein bisschen hinter der Senkrechten macht nichts!“ Muss dann der Kopf-Hals-Winkel doch nicht so groß sein? Wie klein ist er denn dann?
Warum bleibt man nicht bei der richtigen Formulierung: „Die Nase gehört an die Senkrechte“. Damit ist doch alles gesagt.
Die Anlehnung muss WEICH / FEIN sein!
BU: Ist das jetzt eine WEICHE/FEINE Verbindung oder hängt der Zügel einfach durch, da die Anlehnung nicht vorhanden ist?
Ist FEIN oder in den aktuellen Richtlinien Reiten und Fahren auch als WEICH bezeichnet die neudeutsche Übersetzung für konstante Anlehnung oder eine federnde oder heißt es einfach nur, dass man als Reiter vorsichtig sein soll, dass man keine grobe und rückwärtswirkende Hand hat?
Wenn dem so ist, kann man das einfach klar auf den Punkt bringen! Punkt!
Die richtige und falsche Kopf-Hals-Haltung
BU: ist das jetzt die richtige Kopf-Hals-Haltung oder würden wir das eher – so wie es richtig ausgedrückt ist als absolute Aufrichtung, also eine von Hand herbei geführte Aufrichtung – bezeichnen?
Was immer das ist? Meint man damit eine korrekte relative Aufrichtung, bei der das Genick der höchste Punkt ist oder ist damit die fehlerhafte absolute Aufrichtung gemeint, bei der die Aufrichtung von Hand herbeigeführt wurde, der Rücken nicht hergeben und der Schwung aus der Hinterhand nicht mehr sichergestellt ist? Oder ist das eine weitere Beschreibung dafür, dass die Nase hinter der Senkrechten ist oder dahin kommen darf?
Der Naturgalopp
Ist das der Arbeitsgalopp? Fällt das Pferd beim Galoppieren mit hoch gezogenem Kopf völlig auseinander? Oder meint man damit einen Galopp, den die Pferde auf der Weide zeigen?
BU: Naturgalopp?
Bei der noch sehr jungen Reiterin funktioniert das Zusammenwirken der Hilfen noch nicht. Das Pferd hebt sich heraus. Es springt nicht korrekt durch, gibt den Rücken nicht her.
Wenn sich Naturgalopp dadurch auszeichnen sollte, dass Pferde irgendwie auseinander gefallen in der Reitbahn umher galoppieren, dann haben wir es künftig mit allem sehr viel einfacher. Wir schleudern mit unseren Pferden irgendwie über den Reitplatz und wenn sie nicht allzu offensichtlich humpeln, da sie vollkommen verspannt sind, ist alles gut?!
Der Grundschwung
BU: Zeigt das Pferd im Trab auf der Weide seinen Grundschwung?
Was damit gemeint ist, ist nicht ersichtlich. Vermutlich geht es um den Bewegungsablauf im Arbeitstrab.
Es könnte aber genauso gut sein, dass man seinem Pferd beim Traben auf der Weide zuschaut. Der sich dabei ergebende mehr oder weniger stark ausgeprägte schwungvolle Bewegungsablauf, der auch beim freilaufenden Pferd nur aus dem unverspannten Rücken seine Entfaltung findet, ist der Grundschwung? Ein Bewegungsablauf, der zwar nicht ergiebig (also nicht heraus geritten) ist, jedoch aus dem innerlich und äußerlich losgelassenen Pferd kommt?
Taktstörungen
Wenn man das Wort Störung nimmt, könnte man jetzt sagen: Eine Störung ist etwas, was von außen kommt und somit etwas behindert, auf das man keinen oder nur wenig Einfluss hat. Dann ist der Reiter ab heute glücklicherweise nicht mehr daran schuld, wenn das Pferd so verspannt ist, das der reine Takt nicht mehr gegeben ist. Das wird nämlich im Allgemeinen hervorgerufen durch fehlerhafte reiterliche Einwirkung, die zu Verspannungen führt. Früher nannte man es Taktfehler oder im weiter fortgeschrittenen Stadium Gangfehler.
Es waren somit keine Störungen durch widrige Umstände, sondern schlicht und ergreifend reiterliche Fehler. Das ist heute auch noch so, aber die Störung hört sich besser an … oder?
Übersetzt man es korrekt, würde man Taktstörungen ausschließlich auf Fehler in Lektionen beziehen, wenn das Pferd beispielsweise in Piaffe oder Passage nicht alle Beine in der gleichen Höhe hebt, ein Bein mehr hochzieht als das andere oder wenn das Pferd in der Pirouette bei einem oder höchstens zwei Sprüngen in den Viertakt verfällt. Das heißt, Taktstörungen reduzieren sich ausschließlich auf einen nicht sicher geregelten Bewegungsablauf innerhalb einer Lektion.
Taktfehler beziehen sich immer auf die Grundgangart. Somit ist ein sich im Schritt passartig bewegendes Pferd nicht von Taktstörungen verfolgt, sondern es zeigt schlicht Takt- oder gar Gangfehler. Diese sind klare Reiterfehler, denn das Pferd ist nicht losgelassen!
Balancestörung
Balancestörungen kann man vermutlich mit: „Das Pferd ist nicht im Gleichgewicht“ übersetzen? Es könnte aber auch etwas anderes heißen. Wäre das nicht sehr einfach und vor allem für jedermann eingängig… wie es das über Jahrhunderte war ….
Innen Annehmen und Nachgeben
Handelt es sich hierbei um die so wichtigen Halben Paraden? Nun, dann ist das auf jeden Fall falsch, denn diese werden am äußeren Zügel gegeben und dienen der Genickkontrolle, der Hinterhandkontrolle, dem Tempowechsel und dem Richtungswechsel und zum Vorbereiten aller neuen Lektionen. Darüber hinaus braucht man sie für alle versammelnden Lektionen, um das Hinterbein darüber zu einem noch aktiveren Abfußen zu veranlassen.
Wenn man Innen annehmen und nachgeben muss, blockiert man damit das innere Hinterbein und die innere Schulter am Vortritt.
Man muss natürlich überlegen, warum es sinnvoll ist, sein Pferd ständig zu behindern? Wenn man entscheidet, dass das nicht sinnvoll ist, kann man das Annehmen und Nachgeben Innen auch einfach unterlassen.
Aufwärtsparade
„Aufwärtsparaden werden dann gegeben, wenn das Pferd mit der Nase hinter die Senkrechte kommt und sich einrollt“. So die Aussage eines namhaften Ausbilders. Mit diesem reiterlichen Unsinn tut man dem Pferd nur im Maul weh.
Mit einer sogenannten Aufwärtsparade löst man auch das Problem nicht, aber man hat endlich mal wieder was mit der Hand gemacht. Die ist ja sonst ziemlich nutzlos, wenn man ihr nur die Aufgabe überträgt, die Egon von Neindorff in seinem Buch Die reine Lehre der klassischen Reitkunst ihr zuschrieb: „Die Hand fängt nur auf, sie hält niemals zurück.“
Wenn sich Pferde einrollen oder auch verkriechen, dann liegt es daran, dass die Hinterhand nicht ausreichend aktiv ist, der Rücken nicht zum Schwingen kommt und die Pferde das Gebiss nicht annehmen. Das liegt an einer fehlerhaften Einwirkung und meist auch an einem fehlerhaften Sitz. Ein solches Problem hat man mit der Hand in hunderten von Jahren nicht lösen können. Man wird es auch zukünftig nicht schaffen.
Mit einer sogenannten Aufwärtsparade erreicht man nur, dass das Pferd Angst vor der Hand bekommt und bei dem mehr oder weniger heftigen Zügelanzug unsicher und vermutlich auch erschrocken den Kopf nach oben zieht, um sich dann wieder nach unten vor der Brust zu verkriechen. Wenn sich ein Pferd einrollt, muss man es fleißig vorwärts reiten, damit das Hinterbein wieder durchtritt und das Pferd lernt, das Gebiss mit einer entsprechenden Dehnung des Hals anzunehmen
Die Aufwärtsparade ist somit ein kompletter reiterlicher Unsinn und man sollte sie so schnell vergessen, wie man davon gehört hat!
Situative Unsicherheit oder dysfunktionale Spannung im Bewegungsablauf
Hmm. Diese wissenschaftliche Ausführung steht in dem Kriterienkatalog „Beobachtungen von Reiter und Pferd“ für das Vorgehen von Richtern auf dem Abreiteplatz. Was damit gemeint ist, lässt sich so einfach nicht sagen.
Es ist davon auszugehen, dass damit gemeint ist, dass das Pferd aufgrund grober reiterlicher Einwirkungen vollkommen verkrampft mit nach oben gezogenen Vorderbeinen durch die Diagonale strampelt oder sich durch den zu kurzen Zügel verkrampft einrollen muss?
BU: Ob dieses Pferd wohl an einer dysfunktionalen Spannung leidet?
Würde heute noch die alte Weisheit gelten: „Ein Vorlassen des Halses muss immer gestattet werden“, dann würden wir nicht über dysfunktionale Spannungen im Bewegungsablauf sprechen müssen, denn dann würden die Pferde nicht verspannt und exaltiert traben und die Losgelassenheit des Pferdes würde wieder ihre wahre Bedeutung erhalten:
Sie steht am Anfang und am Ende. Ohne ehrliche Losgelassenheit kann reelle Durchlässigkeit und damit kein langfristig gesundes Pferd.
Was könnte das Leben so einfach sein….
Vereinzelt extrem tiefe Kopfposition in Verbindung mit enger Kopf Hals Haltung
Auch diese Ausführung konnte in dem Kriterienkatalog für das pferdegerechte Reiten auf Abreiteplätzen gefunden werden. Ist hier der Begriff Rollkur oder der missglückte Kompromiss des LDR (Long deep round), mit dem Zusatz: „…auf dem Abreiteplatz 10 Minuten oder auch etwas länger …“ gemeint, um wieder einmal eine neue Formulierung zu kreieren oder möchte man dieses böse Wort, dass für tierquälerisches Verhalten steht nicht mehr so gerne in den Mund nehmen?
BU: Ist das jetzt Rollkur oder LDR oder eine vereinzelt extrem tiefe Kopfposition in Verbindung mit einer engen Kopf-Hals-Haltung? Die Reiterin auf dem Foto praktizierte dies jedoch nicht nur „vereinzelt“… .
Mit allen diesen Aussagen jedoch schafft man Missverständnisse statt Klarheit.
Ich denke oft darüber nach, was mit diesen kreativen Formulierungen erreicht werden soll. Wollen wir unseren Betrachtungen einen wissenschaftlichen Anstrich geben oder wollen wir Unworte gerne vermeiden?
Vielleicht wollen wir uns auch einfach nur der heutigen Zeit anpassen, die geprägt ist von vorsichtigen Formulierungen, um Fehler nicht klar zuschreiben zu müssen, damit man nichts auf den Punkt bringen muss, mit dem man das Gegenüber in Erklärungsnot für Fehlverhalten bringen könnte.
Mit dieser blumigen Sprache erreichen wir immer mehr Unsicherheit und Platz für Spekulationen. Kaum einer weiß noch, was richtig und was falsch ist. Für das Pferd ist die Konsequenz allerdings immer gleich und immer einfach. Es zahlt immer den gleichen hohen Preis: Nämlich den seiner Gesundheit…
Und das lässt sich dann auch nicht mehr schön verpacken!