Monthly:Oktober 2018

Ist Kritik heute nicht mehr angesagt?

Tryon 2018 – ein Meilenstein im Reitsport?!

Nichtsahnend was es bewirken würde, habe ich vor ein paar Tagen den Ritt von Isabell Werth kommentiert und auf Facebook und YouTube eingestellt. Damit habe ich eine Diskussion ausgelöst,  Angriffe und Anfeindungen geschaffen, mit denen ich nicht im Entferntesten gerechnet hätte…

Wie kann man die Grande Dame des deutschen Dressursportes kritisieren? Eine Frau, die mehr Medaillen zusammengeritten hat, als ich je sehen werde. Das stimmt.

Ich werde sicherlich in diesem Leben keine Medaillen mehr erreiten…. Aber sind Turniererfolge heute noch ein Maßstab für richtiges und gutes Reiten? Für die Gesunderhaltung des Pferdes? Mit hundertprozentiger Sicherheit nicht. Sie sind ein Maßstab dafür, wie viel man aus einem Pferd herausholen kann.

Mit richtig oder pferdegerecht hat das schon lange nichts mehr zu tun. Leider!

Die Frage ist nur, zu welchem Preis werden heute Medaillen errungen? Wie viele Pferde sind in den letzten Jahren aus dem nationalen und internationalen Sport verschwunden? Warum unterstützen Sponsoren eine solche Reiterei und wo ist der Tierschutz? Sind alle diese Pferde in der Führmaschine über einen Jack Russel gestolpert oder beim Absamen vom Phantom gefallen, so dass man daraus keine Erkenntisse herleitet?

Die Schimmelstute Matiné ist das sicherlich das erste Beispiel, was vielen einfallen wird: Spektakuläre Bewegungen und ein massiv schlagender Schweif. Die einen bezeichneten sie als Ausnahmepferd, die anderen als Untergang für unserer Reitauffassung: Ein nachhaltiger schlagender Schweif als Zeichen massiver Unzufriedenheit und Verspannungen des Pferdes oder doch eher das Ergebnis der heutigen Zucht? Erklärungen gab es viele.

Herr Stecken sagte dazu zu Lebzeiten immer: „Der Schweif ist die Verlängerung des Rückens und das Pferd wird damit entweder nachhaltig schlagen oder ihn gerade nach hinten weg strecken, um sein Unwohlsein und die Verspannungen zu zeigen.“

Seine Worte sind verhallt und heute hat man sich offensichtlich so daran gewöhnt, dass man es kaum mehr zur Kenntnis nimmt. Nur hat sich das damit verbundene Problem für das Pferd nicht aufgelöst. Denn die Verspannungen sind die gleichen und die weiteren Auswirkungen, die sich irgendwann in gesundheitlichen Schäden zeigen auch!

Dann kam als nächstes großes Desaster die Geschichte des „Wunderpferdes“ Totilas. Als die EM in Aachen anstand hatte ich Herrn Lauterbach im Vorfeld eine Mail geschickt mit der Bitte, dem Hengst diese Strapaze nicht mehr anzutun, da ich a) überzeugt war, dass das Pferd das nicht mehr durchhalten würde und da b) diese Reitweise ein weiterer Sargnagel für unsere überlieferten Grundsätze der Ausbildung und somit unserer Reitauffassung ist.
Beantwortet wurde meine schriftliche Bitte mit einer netten Mail, die im O-Ton vermittelte, dass ich erstens keine Ahnung hätte, zweitens der Hengst fit sei und drittens die wirklichen Spezialisten schon wüssten, welche Entscheidung sie treffen würden. Wussten sie das oder hat sie das sich abzeichnende Schicksal des Hengstes nicht mehr interessiert? Noch einmal richtig Aufsehen erregen und aus dem geschundenen Tier die letzten Euros herauspressen?

Das Ergebnis war für die Dressurnation Deutschland ein absolutes Desaster! Ein jubelnder Reiter auf einem lahmen Pferd! Was für eine Katastrophe…. Wie wenig Gefühl muss ein Mensch haben, wenn er nicht einmal realisiert, dass das Pferd unter ihm lahm geht? Ich saß vor meinem Fernsehgerät und habe überlegt, ob die Verantwortlichen alle Tomaten auf den Augen haben oder was noch schlimmer ist, so wenig Ahnung von dem was sie tun…????

 

Tryon 2018

Ich dachte, ich habe ein Déja Vue. Nicht nur Bella Rose, sondern auch das Pferd der Weltranglisten Ersten oder das von Charlotte Dujardin. Egal, wo man hinschaute: Spektakuläre Gestrampel, enge Hälse, grob einwirkende Reiter, nach hinten herausgestellte Hinterbeine, schlagende Schweife und feste Rücken. Ist das unsere Reitkunst von heute?
Hat das nicht Dr. Joachim Bösche schon 2002 in seinem Vortrag über die ‚Engen Hälse‘ der deutschen Richtervereinigung irgendwie vermitteln wollen? Offensichtlich auch er ohne Erkenntnisse bei den Zuhörer und ohne Konsequenzen für unsere heutige Reitweise geblieben.

Natürlich werden die Anhänger unserer erfolgreichen Reiter jetzt wieder auf die Suche nach Fehlern in meinen Artikeln, Videos, Fotos und Kommentaren gehen, um Nebenkriegsschauplätze aufzumachen und mich als Kritiker so zu diskreditieren. Es geht hier aber nicht um Nebenkriegsschauplätze, sondern darum, dass unser wunderbarer Sport zu Kommerz zu Lasten des Pferdes verkommt. Eine Hinrichtung in alle Richtungen. Das Pferd als Mittel zum Zweck, als Weg zu Erfolgen, Medaillen und Fördergeldern für den Verband.
Das Pferd als Lebewesen mit Gefühlen, Ängsten und Schmerzen kommt dabei ganz zum Schluss. Was für ein Trauerspiel.

 

Der Freizeitsport

Auch hier ist es nicht anders! Jeden Tag eine neue Methode, jeden Tag ein anderer Ausbildungsweg und wenn man diesen Irrsinn dann unter biomechanischen Gesichtspunkten in Frage stellt, wird einem vorgeworfen, man sei antiquiert, würde nicht über den Tellerrand schauen, sei ein FN-Reiter, Tierquäler und was für Erkenntnisse manch einer aus mahnenden Worten herauszieht.

Das Ergebnissen ist allerdings in allen Bereichen das gleiche:

Wenn das Pferd kaputt geht, dann hat man etwas falsch gemacht. So einfach ist das! Dann ist es egal, ob das hingerichtete Pferd Totilas, Matiné oder auch Willi Winzig heißt.

Darüber braucht man dann auch nicht mehr zu philosophieren.