Der Zügel ….

… wie man richtig und falsch heute interpretiert.

Es ist nicht lange her, dass ich auf Instagram einen kurzen Post über das Zügelmass verfasst habe. Eine meiner Aussagen war, dass es mir lieber ist, wenn jemand den Zügel etwas länger fasst als zu kurz. Dann habe ich weiterhin erklärt, dass ein permanent durchhängender Zügel ebenso zu Verspannung führt, wie ein zu kurzer.

Was hat dieser Post zu Diskussionen geführt.
Um es Hessisch zu formulieren: Ich dachte, ich pack`mir an Kopp!

Es kamen unter anderem Aussagen wie
– „ein langer Zügel springt“ (davon hatte ich in meinem Post zwar kein einziges Wort erwähnt, aber gut).
– „man muss die innere Hand eindrehen, um so die Stellung zu erreichen“ (auch dieser Kommentar passt in nichts zu meinem Post…)
– „ein sehr kurzer Zügel hat mit einer rückwärts wirkenden Hand nichts zu tun.“
– „die Pferde lernen, die Anlehnung zu suchen, wenn man den Zügel erst einmal sehr kurz nimmt und wenn sie sich dann vom Gebiss abstossen, dann lässt man ihn länger“
-„man muss die innere Hand eindrehen, um das Pferd zu biegen“ (davon hatte ich übrigens auch nichts geschrieben – macht aber nichts…)

Wenn man sich diese Aussagen einmal genau durchliest und sich mit der Biomechanik befasst hat, dann wird einem bewusst, dass diese Erkenntnisse nur von Menschen kommen können, die die Zusammenhänge nicht verstanden haben.

Nehmen wir doch einmal das folgende in dem Zusammenhang wirklich sehr passende Foto zur weiteren Erklärung:

Heute regen sich alle über diese Art von Fotos auf und reden von Rollkur, Zwangshaltung, Tierquälerei und weiterem mehr. Zurecht!

Wir sehen hier aber den von der Kommentierenden erwähnten und erwünschten kurzen Zügel hier bei einem drei – vielleicht vierjähriges Pferd auf dem Bundeschampionat.
Wie soll dieses Pferd lernen, sich an den längeren Zügel heranzudehnen, wenn es in den ersten Jahren der Ausbildung durch diese Zwangshaltung verinnerlicht hat, dass es sich dem Druck wenn überhaupt nur entziehen kann, wenn es sich noch mehr verkriecht; abgesehen natürlich von der gewaltigen Fehlbelastung auf den Körper und hier vor allem auf die Halswirbelsäule mit allen weiteren Folgen?
Viel verstehen muss man nicht, um sich vorzustellen, dass wenn der Reiter den Zügel dann einmal länger lässt, dieser mit Sicherheit springt – muss er ja! Dehnung kennt dieses Pferd ja leider nicht, sonst würde es sich nicht so bewegen….

übrigens:
Wenn ein Pferd gelernt hat bei ausreichend langem Zügel die Anlehnung zu suchen und dadurch mit dem Hinterbein ausreichend aktiv abfussen kann (sich somit quasi selbst an die Hand heranschiebt); es einen korrekt sitzenden und mitschwingenden Reiter hat, der unabhängig von der Hand sitzen kann, bei dem wird der Zügel nicht springen, da es ja von sich aus die Anlehnung sucht. Ein solches Pferd wird das als angenehm empfinden, sich vom Gebiss abzustossen, da die Bewegungen durch den gesamten Körper fliessen, ohne durch den Reiter behindert zu werden.
Aus diesem Grund gibt es auch die so wichtige Lektion Zügel aus der Hand kauen lassen. Auch diese kann das Pferd nur richtig ausführen, wenn es sie richtig gelernt hat.

Korrektes Zügel aus der Hand kauen lassen mit Bamboo.

Nehmen wir noch das oben zitierte Eindrehen der inneren Hand, um das Pferd zu stellen und zu biegen.
Macht es doch bitte eimal bewusst: Setzt Euch auf einen Stuhl, haltet die Hände so als hättet Ihr Zügel in der Hand und dreht dann ein Handgelenk ein.
Was passiert wohl?
Erstens kommt der Ellbogen weg vom Körper. Zweitens verspannt man sich in den Schultern, im Rücken, im Handgelenk, im Becken und dann im ganzen Körper. Dann kann man aus dem Handgelenk und dem Ellbogen nicht mehr vorgeben und hat so eine harte und auch rückwärtswirkende Hand. Auch halbe Paraden kann man so nicht mehr geben….
Was also soll ein eingedrehtes Handgelenk bringen – ausser einem steifen und verspannten Reiter, mit einem verkrampften Sitz und damit ein verspanntes Pferd…..

Es kommt noch ein Punkt hinzu. Drehe ich mein Handgelenk ein mit den vorgenannten Folgen, dann kann behindere ich damit das innere Hinterbein im Vortritt und die innere Schulter im Heben und Vorführen. Das Pferd wird das Vorderbein dann aus der Verspannung nach oben ziehen – nicht aus der Schulterfreiheit heraus. Denn auch diese wird verhindert…

Manch ein Ausbilder mag das eine wie das andere so sagen und von seinen Schülern fordern. Sollte man nicht trotzdem solche Dinge hinterfragen, als das einfach unreflektiert zu übernehmen.

Richtig Reiten kann man nur dann, wenn Reiter und Pferd gleichermassen losgelassen sind.

Ach und übrigens noch etwas zum Zügelmass „Man kann alle Lektionen – richtig – auch am längeren Zügel reiten, aber man muss es können!“ … auch das eine Aussage von Paul Stecken.

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