Tag:Dressage
Eigentlich hatte ich mich dazu entschlossen, mich zu den ganzen Diskussionen über die teils abenteuerlichen Auffassungen und Methoden im Reitsport nicht mehr in der Tiefe zu äussern und mich auf kurze und deutliche Aussagen zu reduzieren. Aktuell ist falsch verstandene klassische Reitkunst offensichtlich mal wieder in Mode. In diesem Bereich findet man das ein oder andere – formulieren wir es höflich – Missverständnis, was die Ausbildung des Pferdes betrifft und irgendwie muss es dann doch mal wieder raus!
Über den reiterlichen Unsinn, junge Pferde über Seitengänge geraderichten zu wollen!
Auf dem linken Foto ist Pampi mit seinen 5 ½ Jahren sieben Monate unter dem Sattel. Im Rahmen seiner Möglichkeiten steht er geschlossen. Das Hinterbein jedoch nicht unter dem Hüftlot. Warum? Er kann es noch nicht. Die Hinterhandgelenke sind noch nicht beweglich genug, um mehr herangeschlossen zu werden. Wenn junge Pferd ruhig stehen und zufrieden kann, hat man viel erreicht!
Auf dem rechten Foto Pampi genau ein Jahr später. Hier kann er die Hinterbeine schon mehr heranschliessen.
Früher habe ich versucht zu vermitteln, dass die Remonte (Pferd zwischen drei und fünf Jahren) Grundlagen erlernen müssen, um darüber in der Rippenpartie geschmeidig zu werden. Versammelnde Lektionen sollte man nicht weiter reiten, da das junge Pferd dafür noch nicht ausreichend entwickelt ist, die Wachstumphase noch nicht abgeschlossen und verschiedenen Strukturen noch nicht verknöchert sind. Daraufhin wurde mir nicht selten erklärt, dass man das Pferd ja erst mit fünf Jahren angeritten hat und somit mit sechs Jahren ja problemlos mit der Versammlung beginnen könne.
Nein. Kann man nicht!
Ich hätte vermutlich sagen müssen, in den ersten beiden Ausbildungsjahren!!! Also: In den ersten beiden Ausbildungsjahren hat das Pferd weder Kraft, noch Elastizität, noch ist so weit im Gleichgewicht, um versammelnde Lektionen korrekt gehen zu können; geschweige denn im ersten Ausbildungsjahr Seitengänge. Wenn man schon mit einem Pferd mit Seitengängen beginnt, dass noch nicht einmal korrekt angaloppieren kann, was kein Zügel aus der Hand kauen lassen, Tritte verlängern, noch nicht einmal grundlegende Bahnfiguren oder gar einen korrekten Handwechsel gehen kann, dann ist das so, als würde man seinem Kind lineare Algebra vermitteln, obwohl es noch nicht einmal weiss, was + – x : bedeutet.
Sicherlich muss man ein Pferd geraderichten, aber dazu braucht doch ein junges Pferd noch überhaupt keine Seitengänge!!!!!
Geraderichtet wird ein Pferd ja darüber, dass es auf beiden Seiten, sprich in der Rippenpartie geschmeidig wird. Rippengeschmeidigkeit beim jungen Pferd – sprich in den ersten beiden Jahren seiner Ausbildung – erreicht man über grosse gebogene Linien, wie grosse Schlangenlinien durch die ganze Bahn, grössere Volten, Zirkel, die grosse und im weiteren Verlauf über die kleine Acht sowie über häufige Handwechsel. Über diese einfachen, für das junge, wenig bemuskelte Pferd allerdings schwierigen Lektionen lernt es, das Gebiss anzunehmen und sich davon abzustossen. Es muss auf eine Weise, die es leisten kann spielerisch etwas mehr Last aufnehmen, das jeweils innere Hinterbein mehr winkeln und damit mehr belasten, mit dem jeweils äusseren mehr schieben, Schub entwickeln etc. Es lernt seinen Takt zu erhalten, sich loszulassen und die Anlehnung zu suchen. Sprich BASICS.
Mehr NICHT!!! Das reicht auch an geistigem Anspruch mehr als aus, denn junge oder wenig gerittene Pferde können sich noch nicht lange konzentrieren.
Über den Unsinn, junge Pferde mit Kandare zu reiten
Früher sprach man davon, dass Reiter und Pferd die Kandarenreifen erreichen müssen, um dieses Gebiss zu nutzen! Das hatte einen Grund: Das Pferd sollte über eine korrekte Anlehnung in allen Übungen und Lektionen verfügen und der Reiter sollte geschmeidig, in der Bewegung des Pferdes mitschwingend und unabhängig von der Hand sitzen können, um sein Pferd nicht durch die unruhige Hand, mit der sich manch ein Reiter auch noch am Zügel festhält pausenlos Schmerzen zuzufügen.
Heute ist das anders: Das Pferd kann noch nicht einmal geradeaus laufen und dann kommt schon die Kandare drauf und manch ein Reiter ist noch nicht einmal in der Lage, den Trensenzaum richtig anzulegen und das Gebiss korrekt zu verschnallen und es kommt schon mal die Kandare drauf.
Man nimmt die alten Stiche von Ridinger und versucht sein Pferd von Hand so aufzurichten und zu formen…
Es war Ridingers künstlerische Freiheit ein Pferd so darzustellen und nicht anders. Das heisst nicht, dass man es so reiten muss, dass es dann auch in Realität so ungesund aussieht. Kritisch betrachtet zeigt Ridinger in seinen Stichen allerdings schon den abgesunkenen Rücken, den Unterhals, das nach hinten herausgestellte Hinterbein und den Stress in Augen und am Ohrenspiel….
Hier versuche es mal mit Worten von Herrn Stecken: «Die korrekte Versammlung entsteht aus der Umwandlung der Schubkraft in die Tragkraft. Das heisst, man muss zuerst an der Schwungentwicklung arbeiten und dann über Tempounterschieden, Übergänge, Tritte und Sprünge verlängern die Kraft für den Schub aus der Hinterhand entwickeln und das Pferd dann mit der Zeit mehr aufzunehmen und prüfen, über welch kurze Momente man es versammeln kann. Versammeln kann man es dann, wenn es die Hinterhandgelenke ausreichend beugen kann. Das ist die Arbeit von Jahren und nicht von Monaten!»
(Anmerkung von los-gelassen: übrigens werden die Hinterhandgelenke nicht gebogen! Wir verbiegen ja auch nicht unsere Knie, wenn wir KnieBEUGEN machen).
Die Stiche von Ridinger waren Zeichnungen und eben Stiche und es steht nirgends geschrieben und es belegt keine biomechanische Abhandlung, dass es sinnvoll ist, sein Pferd so zu traktieren, damit es aussieht, wie auf den Bildern. Wir malen ja auch unsere Kinder nicht an, damit sie der blauen Phase von Picasso entsprechen oder habe ich das was nicht mitgekriegt?
Mein Pferd galoppiert schon auf der Weide traversartig und hat damit eine Veranlagung für Seitengänge

Hier habe ich es demonstriert: Das Pferd geht kein korrektes Travers, sondern läuft einfach nur schief. Davon abgesehen war Fidel über dieses Geeier mehr als verstimmt 😉
Nein, ein Pferd, das so schief galoppiert, ist schief und muss erst einmal geradegerichtet werden. Es hat nichts mit der Veranlagung für Seitengänge zu tun. Es liegt vielmehr an der mehr oder weniger ausgeprägten natürlichen Schiefe des Pferdes und wenn das in der weiteren Ausbildung erhalten bleibt, ist da etwas ziemlich falsch gelaufen…
Man muss ein Pferd schon zu Beginn der Ausbildung versammeln!
Hier habe ich es demonstriert: Das ist keine korrekte Versammlung. Man sieht im Gegenteil deutlich, dass das Pferd das Hinterbein nach hinten herausstellt und den Rücken wegdrückt. Am Ohrenspiel ist die Unsicherheit ebenfalls deutlich zu erkennen sowie am unruhigen Schweif!!!!
Nein. Das muss man nicht, denn dafür fehlt dem wenig oder ungerittenen Pferd a) die Kraft und damit die Muskulatur und b) die Elastizität und die Fähigkeit, die Hinterhandgelenke zu beugen. Junge oder noch nicht ausgebildete Pferd sollten fleissig vorwärts geritten werden, damit das Hinterbein durchtritt und die Pferde durch den Schub aus der Hinterhand lernen, die Anlehnung zu suchen. Dadurch wird das Pferd dann von hinten nach vorne gearbeitet. Alles andere wäre genau falsch herum!
Falsch verstandene Versammlung endet in einem Ausweichen, in kompensatorischen Bewegungsabläufen, in einem weg gedrückten Rücken, in einem herausgepressten Unterhals, um sich auf der Vorhand zu stützen und in einer hochgezogenen Kruppe, mit unter den Bauch gezogenen und nach hinten heraus gestellten Hinterbeinen oder in rückständigen Piaffeversuchen. Solange ein Pferd keine absolut korrekte Anlehnung zeigt, ist es für Versammlung zu früh! Über weitergehende Versuche wie Piaffen und Passagen braucht man dann überhaupt nicht zu philosophieren.
Manchmal wundere ich mich, was in den Köpfen von Menschen abgeht, die sich auf einer Ebene bewegen wollen, von der sie reiterlich so weit weg sind, wie das Mars von der Venus. Es braucht ein grosses reiterliches Können, ein Pferd dahin zu reiten und auszubilden, dass es sich in allen Lebenslagen loslässt und durch richtiges Reiten korrekt bemuskelt ist. Das spricht in meinen Augen mehr über reiterliches Können als jede Medaille, Schleife oder schief gezogenes Gezappel, was der Einzelne dann stolz Piaffe nennt.
Zufriedenheit, Vertrauen zum Menschen und Gesundheit des Pferdes hängen nicht an frühzeitigen Versammlungs- oder Lektionsversuchen, sondern an innerer und äusserer Losgelassenheit….
„Aus falsch mach richtig – Teil 2“
Der Reitsportmarkt ist heute schon fast unüberschaubar vielfältig. Die verschiedenen Methoden werden perfekt vermarktet, die dazu gehörigen Reitauffassungen scheinen alle phantastisch und die Vertreter derselben so davon überzeugt, dass man diese einfach alle anwenden MUSS… – so scheint es zumindest.
Man findet jedoch immer mehr schon junge Pferde mit teils massiven gesundheitlichen Problemen. Schädigungen des Bewegungsapparates von ersten Rückenproblemen bis hin zum Kissing Spine-Syndrom über Arthrosen an Hals und an den Beinen bis hin zu Fesselträger- und Sehnenschäden.
Wie kann das sein, wenn doch alle Methoden so gesunderhaltend und genial sind?
Hat man einmal den falschen Weg eingeschlagen, ist es nicht einfach, sich zum richtigen und pferdegerechten zurückzufinden, zumal man nur noch von Spezialisten umgeben ist, die immer genau wissen, was man für sein Pferd zu tun hat…. So wird die ganze Angelegenheit ausgesprochen mühsam….
Was es zu erreichen gilt
Erreichen muss man, dass sich das Pferd loslässt, der Rücken zum Schwingen kommt, das Pferd das Gebiss annimmt, sich davon abstösst und mit geschlossenem Maul kaut. Es sollte beim Reiten und Longieren immer wieder zufrieden abschnauben und der Schweif entspannt pendelt, statt nachhaltig zu schlagen.
Mit diesen wenigen genannten Punkten reduziert sich die Zahl der richtigen Auffassungen und Methoden gewaltig.
Kriterien für die richtige Ausbildung
Eine gefühlvolle und konstante Anlehnung erreiten
Das Pferd muss (wieder) lernen, das Gebiss anzunehmen. Das bedeutet, die Bewegung muss aus der Hinterhand über den schwingenden Rücken in das Pferdemaul gehen und von dort wieder zurück.
Wie man es erreicht:
Das Hinterbein muss aktiv abfussen, das Pferd also aus der Hinterhand schieben und nicht aus der Vorhand ziehen. Paul Stecken würde in einer solchen Situation sagen: „Man sollte das Pferd so lange fleissig vorwärts reiten bis es mit dem Hinterbein wieder durchtritt“. Das heisst: Tritte und Sprünge verlängern. Zulegen und einfangen im Wechsel, die ein oder andere Diagonale Mittetrab. So kommt man zuerst einmal wieder zu einem aktiver abfussenden Hinterbein.
Die Rippengeschmeidigkeit verbessern
Grosse gebogenen Linie, Schlangenlinien durch die ganze Bahn, häufige Handwechsel, die grosse und die kleine Acht. Um die Rippenbiegung zu verbessern muss man also nicht einmal pausenlos Schulterherein, Travers, Renvers und Traversalen reiten. Diese – da versammelnde Lektionen – kommen erst später. Ein Pferd, dass noch keine korrekte kleine Acht gehen kann und in der Volte noch ausweicht, hat nicht die Grundlage für korrekt gerittene Seitengänge.
Zügel aus der Hand kauen lassen
Bei einem gut gerittenen Zügel aus der Hand kauen lassen, wölbt sich der Rücken auf und das Pferd kann mit dem Hinterbein weiter unter den Schwerpunkt treten. So wird der Rücken als Bewegungszentrum locker und kommt zum Schwingen. Das Hinterbein fusst fleissig ab, das Pferd nimmt das Gebiss an und lässt sich los.
Richtig Schritt reiten
Mittelschritt am langen Zügel bis hin zu Schritt reiten mit hingegebenem Zügel mit Genickkontrolle verbessern die Qualität des Schrittes und sorgen dafür, dass das Pferd auch Schritt wieder aus der Hinterhand schiebt statt aus der Vorhand zu ziehen. Auf diesem Weg erreicht man einen fleissigen und geregelten Schritt.
Richtig Longieren
Gerade bei diesem Thema gehen die Vertreter der unterschiedlichen Auffassungen regelmässig auf die Barrikaden, wenn man erklärt, dass zu einem guten Longieren nun einmal das Gebiss und der Dreiecks – oder Laufferzügel gehören. Nicht selten wird man dann als engstirnig und antiquiert verdammt.
Da aber das Pferd wie beim Reiten eine korrekte Anlehnung braucht, damit alle Muskeln unverspannt arbeiten und es das Gebiss annehmen und sich davon abstossen kann, braucht es das auch beim Longieren. Ein fleissiges Vorwärts-Longieren bei dem das Hinterbein durchtritt und der Rücken zum Schwingen ist somit unverzichtbar.
Der korrekte Sitz
Unabhängig von der Hand und unverspannt im Pferd zu sitzen, richtig zusammenwirkende Hilfen und ein Gefühl zu entwickeln, wann man was in welcher Dosierung tun kann und muss, sind ein Muss, wenn das Pferd gesund bleiben soll. Dabei helfen permanente Sitzkorrekt, Sitzübungen an der Longe und ein durch Gymnastik elastischer Reiter.
Der richtige Ausbilder und der passende Reitlehrer
Auch das ein Thema, bei dem sich die Geister scheiden! Ein Ausbilder, der den Sitz kontrolliert und mögliche Fehler korrigiert, der Sinn und Zweck einer Lektion anhand der funktionellen Anatomie erklären und vermitteln kann – ist ein guter Ausbilder. Er sollte beschreiben können, wie sich die richtig gerittene Lektion und Übung anfühlt und immer wieder auf die halben Paraden hinweisen.
Physiotherapie und Osteopathie
Bewegungseinschränkungen stellen sich oft schneller ein, als man denkt. Diese müssen nicht aufgrund eines Sturzes auf der Weide, durch Wegrutschen oder auch durch Festlegen in der Box entstehen. Jedes Pferd, was eine fehlerhafte Muskelbildung aufweist, hat sich über einen längeren Zeit verspannt. Verspannungen bringen kompensatorische Bewegungsabläufe, Fehlbelastungen und im Laufe der Zeit Bewegungseinschrnkungen und/oder Blockaden mit sich. Somit ist es wichtig, die Artbeit durch Osteotherapeut und Physiotherapeut unterstützen zu lassen.
Massage und Dehnungsübungen
Mit einer guten Massage und den darauf abgestimmten Dehnungsübungen kann man verspannte Muskeln lockern. Ein unverspannt arbeitender Muskel ist mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und kann sich entwickeln.
Infos zum eBook:
Das passende Equipment
Der Sattel muss passen und sollte vom Aufbau (Sattelkissen, Sattelbaum und Sitzfläche) zu Pferd und Reiter passen wie unser los-gelassen-sattel. Je flacher und breiter die Sitzfläche und je weniger Kniepauschen, um so unverspannter sitzt der Reiter. Gebiss und Zaum müssen richtig liegen und richtig sitzen. Das vermeidet Verspannungen am Kopf.
Wenn man diesen steinigen Weg gehen will und die richtige Unterstützung findet, dann hat man eine Chance aus dem einer ferhlerhaften Entwicklung des Pferdes mit wieder ein unverspanntes und losgelassenes Pferd zu machen, dass Freude an seiner Bewegung unter dem Sattel und der Arbeit mit seinem Reiter hat.