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So wird der Galopp so richtig GUT!

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Ein Pferd zu besitzen, das von Natur aus mit einem guten Galopp ausgestattet ist, ist natürlich das einfachste. Da muss man nur noch versuchen, diesen während der Ausbildung zu erhalten. Galopp kann man mit den richtigen Übungen und Lektionen jedoch auch verbessern … Durch reiterliche Fehler allerdings leider auch verschlechtern.

 

 

Zu viel zu früh versammelt…

Spätestens, wenn es an die Versammlung geht, leidet bei vielen Pferden die Qualität des Galopps. Es wird versammelt, versammelt und nochmals versammelt. Bis von dem einstmals gut durchgesprungenen Galopp nur noch ein laues „Hüpfen“ bleibt.

Das nicht zuletzt auch, da das Pferd durch dauernde Versammlung schneller ermüdet und ihm die Muskeln schmerzen. Über zu viel und falsch verstandene Versammlung stehen die Muskeln dauerhaft unter falscher Spannung (Verspannung), werden schlechter durchblutet und Stoffwechselprodukte werden nicht ausreichend ausgeschwemmt.

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Nach jeder Versammlung sollte eine Verstärkung erfolgen! Das macht den Rücken locker, Spaß an der Bewegung und den Galopp so richtig ausdrucksstark!

 

 

Ein Muskel wächst durch Übung und zwar immer dann, wenn er gemäß seiner natürlichen Funktion beansprucht wird. Er wird gleichmäßig durchblutet und dadurch besser ernährt. Er wird mit der Zeit dicker, was man Arbeitswachstum nennt. Wird er hingegen über einen längeren Zeitraum einer falschen Belastung und damit verbunden falscher Spannung ausgesetzt, zu einer Tätigkeit veranlasst, die er auf Sicht nicht vollbringen kann, wird er nicht wachsen. Fehlerhafte Belastungen haben Ernährungsstörungen im Muskel zur Folge. Es kommt zu keinem weiteren Aufbau von Muskelsubstanz. Der Muskel nimmt trotz permanenten Reitens und Trainierens ab. Darüber hinaus verliert der Muskel an Elastizität, er verhärtet und ist verkrampft.

Pferde, die kontinuierlich einer solchen Muskelbelastung ausgesetzt sind und dazu gehört auch die fehlerhafte Arbeit im Galopp werden dünner, kantiger. Selbst eine gute Fütterung kann das nicht aufhalten.

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Die Nase muss vor. Ein Pferd, vor allem ein 3-jähriges Pferd, auf diese Art zu reiten ist ein absolutes No-Go. Auch das Aussehen des rechten Pferdes (von hinten) spricht Bände. Eine komplett fehlerhafte Bemuskelung als Ergebnis falschen Reitens!

 

 

Was läuft falsch, wenn der Galopp immer schlechter wird?

Wie auch bei allen anderen Dingen in der Reiterei hat es meist mehrere Gründe, warum die Qualität der Grundgangarten leidet. Der Schritt nicht mehr geregelt ist, der Trab hölzern bis hin zur Zügellahmheit, der Galopp ohne klaren Dreitakt, die Sprünge flach ohne Durchsprung, teilweise bis hin zu Vierschlag.

Es hängt an mangelnder Losgelassenheit, an Verspannungen, an der fehlerhaften Anlehnung, am zu kurzen Zügel, an der nicht vorgelassenen Nase, an der mangelnden Dehnung des Halses, an dem Hinterbein, was nicht aktiv abfußt, an der mangelnden Elastizität des Pferdes insgesamt – fast immer herbeigeführt durch reiterliche Fehler!

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Die Nase an der Senkrechten, zur Kontrolle immer wieder überstreichen und sein Pferd loben, unterstützen ehrliche Losgelassenheit und schaffen Freude an der Zusammenarbeit mit dem Reiter!

 

 

Gerade wenn es um Versammlung geht, machen Reiter elementare Fehler, die dann darin enden, dass die Pferde entweder ihre gesamte Bewegungsfreude verlieren oder hochgradig explosiv werden, durchgehen, bocken, widersetzlich sind. Viele Reiter versuchen das dann damit zu unterbinden, dass die Zügel noch eine Idee kürzer genommen werden, damit die Pferde nicht von der Fahne gehen und der Galopp noch weiter zurück genommen wird – von Hand. Charakterlich schwierige Pferde werden dadurch noch widersetzlicher, unsichere Pferde ängstlich, wieder andere galoppieren gar nicht mehr an. In allen Fällen geht nicht nur der gute Galopp verloren, sondern die Pferde werden mit Zeit krank!

_DSC3424Foto: Katja Stuppia

Die Nase ist ausreichend vorgelassen. Der Galopp ist gut durchgesprungen

 

 

Den Galopp und seinen korrekten Durchsprung muss man „fordern“ (im positiven Sinne). Man muss jeden Sprung so reiten, als wollte man in dem Moment angaloppieren. Alle zwei bis drei Sprüngen eine halbe Parade geben und darauf achten, dass das Hinterbein durch den treibenden inneren Schenkel aktiv unter den Schwerpunkt springt. Das erreicht man durch das richtige Zusammenwirken der Hilfen. Das gilt für die Versammlung genauso wie für den Arbeits-, Mittel- oder Starken Galopp.

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Das Pferd ist verspannt. Unruhiger Schweif, Rücken weg gedrückt, Nase hinter der Senkrechten, Maul offen, Reiterhand wirkt rückwärts. Das Pferd steht unter Stress. Das rechte Hinterbein kann nicht nach vorne springen, das Pferd weicht deshalb mit der Kruppe nach oben aus.

 

 

Wie erreicht man, dass der Galopp wieder ausdrucksvoller – also besser – wird?

Nach jeder Versammlung muss eine Verstärkung erfolgen sowie nach jedem Zulegen ein Einfangen. Wie bei einem Blasebalg muss man sich das vorstellen.

Häufige Trab- Galopp-Übergänge unterstützen die Losgelassenheit und verbessern die Schwungentwicklung aus der Hinterhand.

Beim weiter gerittenen Pferd kann man die Anforderung in den Übergänge steigern, indem man Übergänge vom versammelten Trab in den versammelten Galopp oder angaloppieren aus dem Schritt reitet. Das macht den Galopp ausdrucksvoller, das Pferd lässt sich los und der Muskelaufbau wird unterstützt. Allerdings nur, wenn auch die Nase immer ausreichend vorgelassen wird, die Anlehnung konstant erhalten bleibt, der Zügel nicht durchhängt. Ein durchhängender Zügel ist in dem Zusammenhang immer ein Hinweis, dass das Pferd das Gebiss nicht annimmt, den Rücken nicht hergibt, das Hinterbein nicht ausreichend aktiv abfußt, die Hinterhand also nicht tätig ist und so der Schwung aus der Hinterhand nicht sichergestellt ist.

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Im Gelände im leichten Sitz im frischen Galopp vorwärts reiten, dabei Zügel aus der Hand kauen lassen und/oder bergauf zu galoppieren, verbessern nicht nur die Qualität der Grundgangart, sie schaffen auch (wieder) Bewegungsfreude beim Pferd und das ist der erste Schritt zu einem guten Galopp.

Geht man nicht häufig ins Gelände oder ist noch ein wenig unsicher, sollte man ein routiniertes Begleitpferd mitnehmen. Wichtig ist, nicht aus der eigenen Unsicherheit heraus den Zügel immer kürzer fassen oder wenn das Pferd übermütig einmal „Gas geben“ will, es mit groben Hilfen oder gar Schlaufzügeln zurückführen zu wollen. Dadurch wird sich das Pferd umso mehr verspannen. Außerdem etabliert sich in seinem Gedächtnis, dass ein Ausritt Stress bedeutet und es wird dann für die Zukunft nicht einfacher.

Bei sehr gespannten Pferden kann es helfen, bergauf zu galoppieren und bis zu einer gewissen Steigung auch zulegen. Wenn das Pferd oben angekommen ist, ist die Luft im Allgemeinen raus J.

Wenn es dann noch zufrieden und entspannt abschnaubt, hat man alles richtig gemacht.

Genau wie Schritt und Trab helfen darüber hinaus natürlich alle Übungen und Lektionen, die die Geschmeidigkeit in der Rippenpartie, das Geraderichten und die Lastaufnahme der Hinterhand verbessern.

Die Arbeit an der Longe kann helfen, den Galopp zu verbessern, wenn das Pferd mit Dreieckszügeln oder Laufferzügeln so lang ausgebunden ist, dass sich in korrekter Dehnungshaltung in die Tiefe strecken kann.

 

Es ist die Vielseitigkeit in der Ausbildung und die Abwechslung, die man für sein Pferd sicherstellen sollte. Dann leidet auch kein Galopp, die Pferde haben Freude an der Bewegung und bleiben bis in hohes Alter gesund!

 

Wir freuen uns auf Eure Kommentare 🙂

 

Pferde denken anders …..

So denkt unser Partner Pferd!

„Die Wertschätzung zwischen Reiter und Pferd muss auf Gegenseitigkeit beruhen; in diesem Sinne unterwerfen auch wir uns dem Pferd.“

Charles de Kunffy
„Ethik im Dressursport“

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Die Psyche des Pferdes verstehen …

… Ist der Weg zu Harmonie und Vertrauen…

Denkprozesse, psychische Befindlichkeiten und daraus entstehende Handlungsweisen eines Pferdes zu verstehen, macht den Umgang und die Ausbildung eines Pferdes einfacher. Lässt man Gefühle und Bedürfnisse des Partners Pferd außer Acht oder berücksichtigt sie in der Ausbildung nicht in der notwendigen Weise, kann dies schnell zu unüberwindbaren Hindernisse, größeren Problemen und langfristig zu gesundheitlichen Schäden führen. Auch der Aufbau der Muskulatur eines Pferdes ist bis zu einem bestimmten Grad von einer stressfreien Ausbildung abhängig.

 

Wenn man sich mit der Psyche des Pferdes, seinen Denk- sowie Handlungsprozessen etwas intensiver auseinandersetzt, kann man lernen, das Pferd, seine „Wünsche“ und Bedürfnisse, Ängste und „Sorgen“ besser zu verstehen und mit diesem Wissen eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Aus dem System Mensch – Pferd kann so eine richtige und gut funktionierende Partnerschaft geschaffen werden. Die Zuneigung seines Pferdes zu erlangen und Leistungen abzufragen, die oft nur möglich sind, wenn das Pferd Spaß, Freude und Vertrauen zu seinem Reiter/Besitzer hat.

Das Verständnis für die Psyche des Pferdes hilft beim Reiten und Ausbilden außerordentlich. Man kann auf einfache Weise Missverständnisse und Fehler vermeiden. Das bedeutet bei der täglichen Arbeit, dass sich Übungen und Lektionen vom Pferd leichter verinnerlichen lassen und dass beispielsweise das erste Einüben neuer Lektionen beim Pferd zu wenig oder keinem Stress führen. Im Gegenteil, das Pferd ist dann mit Elan und Freude bei der Sache! Motivation pur!

Keinen Stress zu haben heißt auf das Reiten bezogen auch, dass das Pferd bei passenden Rahmenbedingungen wie korrekt liegendem Sattel, passendem Zaumzeug und einem richtig und losgelassen auf dem Pferd sitzenden Reiter, der über eine korrekte und gefühlvolle Einwirkung und Hilfengebung verfügt, es schneller zu ehrlicher innere Losgelassenheit kommt, die dann wiederum die Basis für die äußere Losgelassenheit ist. Das Pferd macht beim Reiten und Ausbilden vertrauensvoll und motiviert mit, lässt sich los.

Über die richtige Arbeit und die ehrliche Losgelassenheit werden dann auch Muskeln an den richtigen Stellen korrekt aufgebaut. Die Muskeln spannen unverspannt an und ab. Das Pferd gibt den Rücken her. Der Rücken ist das Bewegungszentrum eines Pferdes. Er kann nur unverspannt arbeiten, wenn das Pferd zu innerer und äußerer Losgelassenheit kommt.

 

Vertrauen ist die Basis

„Die Ausbildung als Reitpferd sollte für das Pferd Sinn ergeben und motivierend sein, wobei auch mit Belohnung und Berücksichtigung der Instinkte und der Natur, aber vor allem auch der Beziehung und spezifischen Fähigkeiten des Pferdes gearbeitet wird. Ebenso darf der Gewöhnungsaspekt und der systematische Trainingsaufbau nicht vergessen werden sowie die genaue Kenntnis anatomischer, physiologischer Gegebenheiten, der Trainingslehre und der Biomechanik, also der Psychomotorik von Pferd und Mensch. Eine pferdegerechte Ausbildung erfordert einen ganzheitlichen Ansatz.“

(Dr. Ulrike Thiel, „Die Psyche des Pferdes“).
Pferde denken anders als wir Menschen. Ihre Möglichkeiten zu denken, Zusammenhänge und Abhängigkeiten aufzubauen, sind auf die Lebensbedingungen eines Pferdes angepasst und haben sich über Jahrmillionen entwickelt. Von einem Pferd komplexe Gedankengänge zu erwarten, wie beispielsweise das Abwägen von Für und Wider und das Denken um Ecken, um sich selbst Vorteile zu verschaffen oder zu glauben, das Pferde Dinge tun, um uns Menschen zu schikanieren oder um uns „eins auszuwischen“, ist mehr als weit hergeholt. Das können Pferde nicht und sie können es auch nicht erlernen.

Pferde sind zu einer analogen Kommunikation und zu analogem Denken fähig und nicht mehr. Um ihr Leben zu meistern und um mit uns Menschen umzugehen, reichen diese Fähigkeiten allemal aus.  Pferde sind in diesem Zusammenhang äußerst anpassungsfähig.  Sie arrangieren sich mit dem Reiter auf ihrem Rücken. Sie stellen sich angsterregenden Umständen und furchterregenden und lauten Maschinen. Sie sind in der Lage bei richtigem und liebevollem Umgang eine innige Beziehung aufzubauen und sich auf das komplett anders funktionierende und anders denkende Lebewesen Mensch einzulassen. Sie sind dann sogar bereit – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – mit dem Menschen an Problemlösungen zu arbeiten. Dazu gehört unter anderem, dass sie sich darauf einlassen, den Reiter auf ihrem Rücken zu akzeptieren und mit ihm gemeinsam Freude an der Bewegung entwickeln und das obwohl der Reiter auf dem Rücken im ureigentlichen Sinne erst einmal das Raubtier ist (überliefert aus der Zeit als Steppentier, als das Pferd noch als wirkliches Fluchttier lebte), dass sich festkrallt, um das Pferd durch einen gezielten Biss ins Genick zu töten.

Pferde sind in der Lage, ihr ganzes Leben lang zu lernen und dabei auch ein gewisses Geschick zu entwickeln. Diese Fähigkeit kommt dem Menschen bei der Ausbildung des Pferdes sehr entgegen, denn es erlernt Übungen und Lektionen, Sprünge zu überwinden oder sich auf unkomplizierte Art und Weise auf neue Dinge einzulassen.

Diese Lernfähigkeiten können Pferde auch auf andere Dinge übertragen. Sie lernen mit dem geschickten Einsatz von Maul und oder Lippen die tollsten Dinge anzustellen. Das heißt, sie denken bis zu einem gewissen Grad auch komplex. Es gibt Meister im Boxentüren- und Weidezäune-Öffnen und Genies im Halfter ausziehen und unauffällig „Stiftengehen“. Diese Fähigkeiten erfordern die Intelligenz in einfachen Zusammenhängen zu denken und zu handeln. Nämlich: Wenn dieser Weidezaun offen ist, komme ich an das hohe Gras nebenan. So sind machen Pferde in der Lage mit endloser Geduld so lange mit Lippen und Maul an einem Zaun herumzubasteln, bis sich Tür oder Tor oder sogar die Litze öffnen lassen, ohne dass sich Pferde dabei verletzten oder gar einen Stromschlag einkassieren würde.

Um die Denkfähigkeiten eines Pferdes für den täglichen Umgang und in der Arbeit zu nutzen und um eine intensive Beziehung Mensch-Pferd aufzubauen, ist es wichtig zu lernen, Instinkte, Emotionen und Denken auseinanderzuhalten und bewusst mit den Dimensionen des Verhaltens des Pferdes umzugehen.

Das heißt für den Menschen unter anderem, dass er seine Anforderungen an das Lernen von beispielsweise Lektionen oder Übungen auf das Maß abstimmen und reduzieren muss, die das Pferd auch umsetzen kann, ohne dass die psychische Belastung zu hoch wird. Lernen beim Pferd geht wie beim Menschen. In kleinen Schritten vom Einfachen zum Schweren. Wer zu schnell und zu viel fordert, die Denkmöglichkeiten seines Pferdes überschätzt oder unberücksichtigt lässt, wer eigene Denkprozesse auf das Pferd überträgt und dann entsprechende Reaktionen und Verhaltensweisen erwartet und fordert, wird auf ganzer Linie scheitern.
Dieses Scheitern muss sich nicht unbedingt sofort in Widersetzlichkeiten wie Bocken, Steigen, Beißen oder Treten zeigen. Es kann sich in Unsicherheiten, Schreckhaftigkeit, Blockieren, in Darmproblemen, Verspannungen, Rückenproblemen bis hin zu Erkrankungen des Knochen- und Bandappartes darstellen und auch – wie heute leider immer häufiger – in Magengeschwüren und neurotischen Verhaltensweisen äußern. Klare Hinweise darauf, dass etwas grundverkehrt gelaufen ist.

Ein Pferd, dass sich wohlfühlt, dass Sicherheit in der Beziehung zu seinem Menschen findet, hat in den allermeisten Fällen schon ein ganz anderes Auge als ein Pferd, dass dauerhaft unter Stress steht, da beispielsweise die reiterlichen Anforderungen viel zu hoch sind!

 

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Junges Pferd mit entspanntem Gesichtsausdruck und aufmerksamem aber ruhigem Auge. Immer ein auch ein Hinweis darauf, dass das Pferd in der Ausbildung die Zeit hat, die es braucht, um die gestellten Anforderungen zu verarbeiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

stress_blickPferd gleichen Alters wie das Pferd auf dem vorherigen Foto, dass aufgrund der reiterlichen Anforderungen und der fruchteinflössenden Umgebung (großes Turnier, viele Menschen, Gerüche und Geräusche) massiv unter Strom steht. Überforderung und Angst sind auch am Auge des Pferdes deutlich zu erkennen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Pferd zu konditionieren… Ist das ein sinnvoller Weg in der Ausbildung?

„Wollen wir einem Pferd begreiflich machen, was es tun soll, und wollen wir auch, dass es dies umsetzt, dann müssen wir das am besten auf der Grundlage einer guten Beziehung und einer artspezifischen Grundlage tun….. Das ist etwas anderes, als nur auf künstiliche erzeugte „Knöpfe“ zu drücken, um eine Reaktion zu bekommen.“ (Dr. Ulrike Thiel)

Pferde sind in einem gewissen Maße in der Lage mitzudenken und bis zu einem bestimmten Grad „den Sinn einer Sache“ zu erkennen und Freude daran zu entwickeln. In der Ausbildung sollte man diese Möglichkeit nutzen und im Rahmen des Machbaren eines Pferdes auch weiterentwickeln. Dies alles muss natürlich in einem stressfreien Rahmen geschehen, damit das Pferd die Chance hat, sich auf das zu konzentrieren, was wir von ihm fordern.  Wann immer Stress und Unruhe entstehen, kann sich das Pferd nicht mehr in dem notwendigen Maß auf uns konzentrieren, da ihm die Fähigkeit fehlt, das eine vom anderen zu trennen. Es hat Stress und versucht den Auslöser der Stresssituation loszuwerden. Das geschieht in Form von Flucht. Flucht heißt nicht unbedingt, dass es in wilder Panik davon stürzen wird. Flucht kann auch bedeuten, einfach nur unruhig oder unkonzentriert zu sein.

Unter dem Gesichtspunkt richtiger und falscher Wege im Reitsport, gibt es heute sehr viel, was als pferdegerecht, Stress- und traumafrei verkauft wird. Wir wollen, dass es unseren Pferden gut geht und damit gehen wir gerne auch neue und andere Wege.
Sind diese Wege im Sinne der psychischen Belastung richtig oder falsch?
Kann sich das Pferd damit wohlfühlen?
Das entscheidet sich leider meist erst, nachdem man es über einen gewissen Zeitraum ausprobiert hat. Das Ergebnis kann dann ein positives sein, dem Pferd aber auch mehr schaden, als es ihm gut tut….

 

Im Sinne des Pferdes?

Diese Frage stellt man sich meist nicht.
Psychologen und Veterinärmediziner haben über Tests und Versuchsreihen festgestellt, dass alle Methoden, bei denen Pferden (auch Tiere allgemein) durch reine Geräusch-, Bewegungs-, Handhaltungs- etc. Systeme etwas beigebracht wird, ausschließlich ein „ Knopfdruckgehorsam“ etabliert wird. Dabei wird vernachlässigt, dass dem Pferd das Mitdenken unmöglich gemacht wird, denn es versteht den Sinn einer Handlung oder einer geforderten Verhaltensweise nicht. Es wird einfach nur konditioniert. Beispiel: „Wenn ich stehenbleibe, kriege ich ein Leckerli.“

Sein Verhalten wird also nur automatisiert und es kann sich in das System nicht einbringen. Die individuelle Pferdepersönlichkeit bleibt bei diesen Vorgehensweisen vollkommen unberücksichtigt. Man muss sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, wie stressfrei ist ein Ausbildungsweg, bei dem dem Tier das Denken abgewöhnt wird?

Auch sind solche Lernmethoden nicht geeignet, einem Tier unerwünschte Verhaltensweisen abzugewöhnen. Unerwünschtes Verhalten lässt sich nur durch „Löschung“ der Alten/fehlerhaften Verhaltensweise und dem Etablieren von Alternativen schaffen. Mit einem System aus Geräusch und Belohnung schafft man nur ein Reiz- und Reaktionssystem. Das Pferd lernt nicht zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist. Es lernt nur: Ich mache das und dafür kriege was….

Für eine Ausbildung unter dem Reiter sind solche Methoden und Systeme sicherlich wenig sinnvoll. Denn das Pferd lernt darüber nicht, sich mit Hilfen und Einwirkung des Reiters auseinanderzusetzen.

Pferde lernen sehr schnell, eine korrekte Einwirkung und Hilfengebung entsprechend umzusetzen und den „Vorschlägen“ ihres Reiters Folge zu leisten. Man wird überrascht sein, wie schnell ein junges Pferd das Angaloppieren lernt und wie schnell es begreift, wie eine Kehrtwendung funktioniert. Dabei wird der natürliche Impuls eines Pferdes etwas zu tun (z.B. mehr Bewegung durch Galoppieren, aktiver zu werden), durch den Impuls des Reiters unterstützt. So wie andere auf der Weide galoppierende Pferde den Außenreiz liefern, selbst anzugaloppieren, so liefert beim Reiten der Reiter diesen Außenreiz. Das Pferd führt den Impuls nur fort.

Wenn beide auf einander eingespielt sind, erscheint es für Außenstehende oft so, als würde der Reiter keine Hilfen erteilen, das Pferd auf das reine Denken seines Reiters reagieren. Es ist jedoch so, dass Reiter und Pferd in einem permanenten Dialog stehen und beide auf den kleinste Veränderung der Muskelanspannung oder Gewichtsverlagerung, minimale Veränderung in der Lage der Schenkel, halbe Parade reagieren können. Beide verarbeiten das Reiten also auch geistig, denken quasi gemeinsam nach und verarbeiten das getane und zu tuende gemeinsam. Sie ergänzen sich und das Pferd greift den Vorschlag seines Reiters zum Angaloppieren auf und setzt ihn um, da das Galoppieren ja unter anderem der natürlichen Bewegungslust des Pferdes entspricht.

Ein gefühlvoll einwirkender Reiter unterstützt somit die Bewegungsfreude seines Pferdes.

 

Richtig Reiten ist die Basis für Vertrauen!

Mit einem korrekten Sitz, bei dem der Reiter in der Bewegung des Pferdes losgelassen mitschwingt und im Schwerpunkt sitzt, ohne mit dem Oberkörper nach vorne oder nach hinten, nach links oder rechts zu schaukeln und das mit einer ruhigen und gefühlvoll einwirkenden Hand, die unabhängig vom Sitz eine elastische Verbindung zum Pferdemaul darstellt, stört der Reiter sein Pferd bei seiner Bewegungsaufgabe nicht.

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Korrekter Sitz und gefühlvolle Einwirkung sind die Basis für das Vertrauen unter dem Reiter! (Foto: Katja Sutppia)

 

Schleichen sich jedoch Fehler in Sitz und Einwirkung ein, nehmen diese immer Einfluss auf die unterschiedlichen Körperteile des Pferdes und damit auf Haltung und Bewegungsablauf. Je nachdem, wie groß die fehlerhafte Einwirkung ist, führt es nicht nur zu Takt- und im weiteren Verlauf zu Gangfehlern, sondern auch zu Verspannungen, körperlichen Problemen und mit der Zeit zu irreparablen Schäden. Neben den körperlichen Erscheinungen haben reiterliche Fehler natürlich auch Einfluss auf die psychische Verfassung des Pferdes.

Die Einwirkung auf das empfindliche Pferdemaul sollte immer sehr gefühlvoll erfolgen. Ist die Nase an der Senkrechten, die Verbindung konstant und federnd, Hilfen und Sitz korrekt, fühlt sich das Pferd wohl. Es ist innerlich wie äußerlich losgelassen.

Die Nase dauerhaft hinter der Senkrechten, eine absolute Aufrichtung, eine rückwärtswirkende und harte Hand und ein nach hinten verlagerter Oberkörper – wie man es heute allenthalben sieht – schränken nicht nur die Bewegungsmöglichkeiten ein, machen übermäßigen Druck auf das Pferdemaul, sondern sie stören auch die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd.
Es kommt zu Missverständnissen. Viele Pferde haben in solchen Situationen Angst. Angst vor grober Einwirkung, eventuell auftretender Ungerechtigkeit oder auch Angst vor dem Schmerz. Diese Angst geht mit einem Vertrauensverlust einher. Das Pferd wird unsicher. Reiter und Pferd „reden aneinander vorbei“.
Viele Pferde werden in solchen Situation oft hektisch, sind unkonzentriert und reagieren auf alles, nur nicht mehr auf ihren Reiter.

Wenn aus einer solchen Situation eine negative Spirale wird, wird für das Pferd das Reiten schon zu einer furchterregenden Angelegenheit bevor der Reiter überhaupt aufgestiegen ist. Beim Putzen tut der verspannte Rücken weh, die Pferde zucken und weichen mit dem Rücken nach unten aus. Wenn der Reiter mit dem Sattel kommt, werden Pferde mit schlechten Erfahrungen oft schon unruhig, manche äppeln übermäßig viel. Beim Nachgurten weichen sie aus, sind unruhig, manche treten sogar. Das sind Hinweise auf eine viel zu hohe psychische und physische Belastung. Die daraus nicht selten folgenden Widersetzlichkeiten sind immer Symptome dafür, dass die Dinge einheitlich in eine falsche Richtung laufen. Es ist dann an der Zeit, nach Ursachen zu forschen und nach Lösungen zu suchen, denn auf einer solchen Basis ist die Beziehung zwischen Reiter und Pferd dauerhaft gestört.

Auch für gefühlvoll einwirkende Reiter ist ein Pferd, das schlechte Erfahrungen gemacht hat eine Herausforderung. Er muss dafür sorgen, das Pferd beim Reiten nicht mehr zu stören und unkontrollierte Bewegungen und Verspannungen durch einen sehr elastischen Sitz aufzufangen. Das Pferd muss erst wieder lernen, sich auf den Reiter/Menschen einzulassen und erkennen, dass es keine Angst zu haben braucht und das es sich auf den Menschen auf seinem Rücken einlassen kann.

In allen Stresssituationen hilft dem Pferd die Ruhe von Reiter oder Besitzer. Unsere Unruhe überträgt sich genauso auf das Pferd, wie wenn wir uns etwas ärgern oder gereitzt sind. Pferde sind hochsensibel und sie finden in uns Sicherheit und das Gefühl beschützt zu sein oder wir sind ein Grund für Angst und Unsicherheit.

Viel zu Loben, Vertrauen zu schaffen und eine gut funktionierende Partnerschaft aufzubauen, sind der beste Weg, dass das Pferd bei einer korrekten Ausbildung und einem gefühlvoll einwirkenden Reiter bis in ein hohes Alter gesund bleiben kann! Die Pferde danken uns das mit Zuneigung! Sie danken uns das auch mit Zuverlässigkeit, Leistungsbereitschaft und mit einem entsprechend handelbaren Verhalten auch in gefährlichen Situationen.
Wir freuen uns über Anregungen und Kommentare zu unseren Artikeln und Post!
Vielen Dank im Voraus