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Klassische Reitkunst – was soll das sein?

Pferdeausbildung heute…

Der Reitsport ist heute nahezu unüberschaubar geworden.
Wenn man sich die vielen Auffassungen und Methoden betrachtet, die nahezu perfekt aufgebauten Darstellungen der vielen selbsternannten Fachleute und Spezialisten mit allen ihren Vorgehensweisen, dann ist es fast unmöglich, den richtigen Weg einzuschlagen – bei dem das Pferd gesund bleiben kann.

Wenn es zu gesundheitlichen Problemen kommt und man erkennt, dass man mit der bisher vertretenen Vorgehensweise nicht mehr weiterkommt, sucht man Hilfe und landet in einem Wirr-Warr von Meinungen, Methoden und teils mehr als kreativen Ideen. Nach eingehender Analyse, dem Kampf durch Chats und Foren ist man meist mehr als ernüchtert: Die Verwirrung und Unsicherheit sind grösser geworden als je zuvor und so wendet man sich schon fast verzweifelt an den, der seine Ideen mit den tiergerechtesten Worten verpackt und hofft inständig, dass der jetzt eingeschlagene Weg bitte bitte der richtige sein mag….

Die Klassische Reitkunst

Was ist eigentlich klassische Reitkunst? Vor allem, wieso klassisch? Fällt unter klassisch ein Francois Baucher, die Legerete, akademische Reitkunst, die Skala der Ausbildung oder die überlieferten Grundsätze der Ausbildung niedergeschrieben in der H.Dv.12/1937?

Geht klassisch in Richtung eines Baucher oder der neuen Interpretation der Legerete, dann ist dieser Weg genauso gescheitert wie zu Zeiten eines Baucher, da weder erste noch die zweite Manier auch nur im Ansatz pferdegerecht waren. Die heutigen Ableger dieser Auffassung und das damit verbundene Reiten und Ausbilden ohne Schub aus der Hinterhand, ohne korrekte Anlehnung, ohne Zügel aus der Hand kauen lassen etc. enden fast immer in einem Pferd, das neben den ständig zunehmenden Rückenproblemen, einer schlecht entwickelten Muskulatur auch noch jede Freude an der eigenen Bewegung verloren hat.

Klassisch heute = frühe Versammlung?

Wenn klassische Reitkunst gleichgesetzt wird mit früher Versammlung, dann ist auch das der falsche Weg, denn dann arbeiten Muskeln irgendwann in Dauerverspannung und das führt bekanntlich zu massiven gesundheitlichen Problemen. Mit dem jungen Pferd frühzeitig mit Versammlung, Seitengängen und „setzender“ Arbeit zu beginnen bedeutet immer eine Fehlbelastung und Überlastung von Gelenken, Bändern und Sehnen, denn dem Pferd fehlt die notwendige Elastizität und die Kraft, die sich bekanntermassen erst über Jahre langsam schaffen lässt.

Klassisch = Seitengänge, Seitengänge, Seitengänge?

Seitengänge sind gut und wichtig, aber sie gehören nicht in die Ausbildung der Remonte. Da führen sie nämlich nur zum Ausweichen und zu Überforderung. Vor allem auch MENTAL! Rippengeschmeidigkeit kann man genauso gut über grosse gebogene Linien, Achten, häufige Handwechsel und Schlangenlinien verbessern. Das ist dann auch pferdegerecht und entspricht dem Ausbildungsstand der jungen Remonte: BASICS schaffen…

Klassisch = ein schleppendes Tempo ohne Schub aus der Hinterhand?

Schaut man sich die Pferde an, die heute nach der Methode der „klassischen Reitkunst“ geritten werden, hat das mit den überlieferten Grundsätzen der Ausbildung nichts zu tun. Diese sind in der H.Dv.12/1937 niedergeschrieben und sind in meinen Augen die wirkliche klassische Reitkunst.
Aufgebaut auf den Grundlagen der funktionellen Anatomie findet hier Schwungentwicklung auf dem richtigen Weg statt. Aus den Verstärkungen oder wie man es früher nannte aus den „freien Gängen“. „Fleissiges Vorwärtsreiten bei angenommenem Gebiss und hergegebenem Rücken bei an die Senkrechte vorgelassener Nase“ – so Herr Stecken – ermöglichen es, dass alle Muskeln richtig arbeiten, ausreichend mit Sauerstoff und damit mit Nährstoffen versorgt werden. Schleppende Gänge mit durch den Sand gezogenen Hinterbeinen machen irgendwann jedes Pferd krank.

 

Mit könnte die Aufzählungen noch über viele Seiten weiterführen und auch die in diesem Bereich vielfach gepriesene Piaffe im Detail betrachten. Auch da käme man dann zu er Erkenntnis, dass das Leben eines Pferdes a) nicht an der Piaffe hängt und b) die wenigsten diese heute wirklich noch richtig reiten können, aber gerne viel darüber reden.

Vielleicht sollten wir heute mit weniger Superlativen und wohlklingenden Worten arbeiten und uns nicht mit neuen Methoden und Auffassungen schmücken. Diese braucht der Reitsport nicht und das Pferd braucht sie noch viel weniger. Warum halten wir es nicht wie Horst NiemacK? Der würde nämlich jetzt sagen: „Es gibt in der Reiterei nichts Neues zu erfinden, nur Bewährtes zu bewahren“.

Der Huf ist das Fundament

Als Bamboo zu uns kam, war er ehrlich gesagt, eine Komplettbaustelle und man konnte nicht einschätzen, wo die Reise hingeht und ob man es schaffen würde, alle Probleme in den Griff zu bekommen.

Neben den schon berichteten Rittigskeitsproblemen, den Rückenschmerzen, dem schlechten Fütterungszustand waren auch seine Hufe eine Katastrophe. Hufstellung und Hufachse waren fast schon abenteuerlich, er war Hinten nicht beschlagen, die Eisen, die er vorne drauf hatte, waren eigentlich Hinterhufeisen und insgesamt passte auch da nichts.

Die korrekte Stellung der Hufe ist sehr wichtig und wenn man eine Änderung herbeiführen muss, dauert es sehr lange, denn Änderungen dürfen nur in Millimeterschritten erfolgen, will man sich nicht auch noch Probleme mit Gelenken, Bändern und Sehnen schaffen.

Beispiel eines gut stehenden Pferdes
Beispiel eines Pferdes mit Stellungsfehlern.

Heute sieht das ganz anders aus. Die anfängliche Angst vor Schmied und de Beschlagen werden, ist nicht mehr da. Er steht entspannt ohne Angst und ohne Panik. In der ersten Zeit dauerte es zwei Stunden und mehr, um ihn zu beschlagen und es konnte passieren, dass er in seiner Angst alle über den Haufen gerannt hat. Manchmal war es nicht ungefährlich.

Durch die gute Unterstützung durch den Beschlag sind auch seine massiv ausgeprägten Gallen an den Hinterbeinen – die man bei Pferden in seinem Alter in der Form vermutlich auch nicht oft sieht – komplett verschwunden. Das ist natürlich nicht allein der Verdienst des Hufschmiedes, denn auch die Haltung und das Training müssen entsprechend aufgebaut sein, aber dieser wichtige Baustein hat vieles erst ermöglicht.

In unserem kurzen Video haben wir es zusammengefasst und es wie immer auf YouTube eingestellt:

https://www.youtube.com/watch?v=soRICVe4zVc

 

über den allgemeinen Wahnsinn im Reitsport heute!

Eigentlich hatte ich mich dazu entschlossen, mich zu den ganzen Diskussionen über die teils abenteuerlichen Auffassungen und Methoden im Reitsport nicht mehr in der Tiefe zu äussern und mich auf kurze und deutliche Aussagen zu reduzieren. Aktuell ist falsch verstandene klassische Reitkunst offensichtlich mal wieder in Mode. In diesem Bereich findet man das ein oder andere – formulieren wir es höflich – Missverständnis, was die Ausbildung des Pferdes betrifft und irgendwie muss es dann doch mal wieder raus!

Über den reiterlichen Unsinn, junge Pferde über Seitengänge geraderichten zu wollen!

Auf dem linken Foto ist Pampi mit seinen 5 ½ Jahren sieben Monate unter dem Sattel. Im Rahmen seiner Möglichkeiten steht er geschlossen. Das Hinterbein jedoch nicht unter dem Hüftlot. Warum? Er kann es noch nicht. Die Hinterhandgelenke sind noch nicht beweglich genug, um mehr herangeschlossen zu werden. Wenn junge Pferd ruhig stehen und zufrieden kann, hat man viel erreicht!

Auf dem rechten Foto Pampi genau ein Jahr später. Hier kann er die Hinterbeine schon mehr heranschliessen. 


Früher habe ich versucht zu vermitteln, dass die Remonte (Pferd zwischen drei und fünf Jahren) Grundlagen erlernen müssen, um darüber in der Rippenpartie geschmeidig zu werden. Versammelnde Lektionen sollte man nicht weiter reiten, da das junge Pferd dafür noch nicht ausreichend entwickelt ist, die Wachstumphase noch nicht abgeschlossen und verschiedenen Strukturen noch nicht verknöchert sind. Daraufhin wurde mir nicht selten erklärt, dass man das Pferd ja erst mit fünf Jahren angeritten hat und somit mit sechs Jahren ja problemlos mit der Versammlung beginnen könne.

Nein. Kann man nicht! 

Ich hätte vermutlich sagen müssen, in den ersten beiden Ausbildungsjahren!!! Also: In den ersten beiden Ausbildungsjahren hat das Pferd weder Kraft, noch Elastizität, noch ist so weit im Gleichgewicht, um versammelnde Lektionen korrekt gehen zu können; geschweige denn im ersten Ausbildungsjahr Seitengänge. Wenn man schon mit einem Pferd mit Seitengängen beginnt, dass noch nicht einmal korrekt angaloppieren kann, was kein Zügel aus der Hand kauen lassen, Tritte verlängern, noch nicht einmal grundlegende Bahnfiguren oder gar einen korrekten Handwechsel gehen kann, dann ist das so, als würde man seinem Kind lineare Algebra vermitteln, obwohl es noch nicht einmal weiss, was + – x : bedeutet. 

Sicherlich muss man ein Pferd geraderichten, aber dazu braucht doch ein junges Pferd noch überhaupt keine Seitengänge!!!!!

Geraderichtet wird ein Pferd ja darüber, dass es auf beiden Seiten, sprich in der Rippenpartie geschmeidig wird. Rippengeschmeidigkeit beim jungen Pferd – sprich in den ersten beiden Jahren seiner Ausbildung – erreicht man über grosse gebogene Linien, wie grosse Schlangenlinien durch die ganze Bahn, grössere Volten, Zirkel, die grosse und im weiteren Verlauf über die kleine Acht sowie über häufige Handwechsel. Über diese einfachen, für das junge, wenig bemuskelte Pferd allerdings schwierigen Lektionen lernt es, das Gebiss anzunehmen und sich davon abzustossen. Es muss auf eine Weise, die es leisten kann spielerisch etwas mehr Last aufnehmen, das jeweils innere Hinterbein mehr winkeln und damit mehr belasten, mit dem jeweils äusseren mehr schieben, Schub entwickeln etc. Es lernt seinen Takt zu erhalten, sich loszulassen und die Anlehnung zu suchen. Sprich BASICS.

Mehr NICHT!!! Das reicht auch an geistigem Anspruch mehr als aus, denn junge oder wenig gerittene Pferde können sich noch nicht lange konzentrieren.

Über den Unsinn, junge Pferde mit Kandare zu reiten

Früher sprach man davon, dass Reiter und Pferd die Kandarenreifen erreichen müssen, um dieses Gebiss zu nutzen! Das hatte einen Grund: Das Pferd sollte über eine korrekte Anlehnung in allen Übungen und Lektionen verfügen und der Reiter sollte geschmeidig,  in der Bewegung des Pferdes mitschwingend und unabhängig von der Hand sitzen können, um sein Pferd nicht durch die unruhige Hand, mit der sich manch ein Reiter auch noch am Zügel festhält pausenlos Schmerzen zuzufügen. 
Heute ist das anders: Das Pferd kann noch nicht einmal geradeaus laufen und dann kommt schon die Kandare drauf und manch ein Reiter ist noch nicht einmal in der Lage, den Trensenzaum richtig anzulegen und das Gebiss korrekt zu verschnallen und es kommt schon mal die Kandare drauf.

Man nimmt die alten Stiche von Ridinger und versucht sein Pferd von Hand so aufzurichten und zu formen…

Es war Ridingers künstlerische Freiheit ein Pferd so darzustellen und nicht anders. Das heisst nicht, dass man es so reiten muss, dass es dann auch in Realität so ungesund aussieht. Kritisch betrachtet zeigt Ridinger in seinen Stichen allerdings schon den abgesunkenen Rücken, den Unterhals, das nach hinten herausgestellte Hinterbein und den Stress in Augen und am Ohrenspiel…. 

Hier versuche es mal mit Worten von Herrn Stecken: «Die korrekte Versammlung entsteht aus der Umwandlung der Schubkraft in die Tragkraft. Das heisst, man muss zuerst an der Schwungentwicklung arbeiten und dann über Tempounterschieden, Übergänge, Tritte und Sprünge verlängern die Kraft für den Schub aus der Hinterhand entwickeln und das Pferd dann mit der Zeit mehr aufzunehmen und prüfen, über welch kurze Momente man es versammeln kann. Versammeln kann man es dann, wenn es die Hinterhandgelenke ausreichend beugen kann. Das ist die Arbeit von Jahren und nicht von Monaten!»

(Anmerkung von los-gelassen: übrigens werden die Hinterhandgelenke nicht gebogen! Wir verbiegen ja auch nicht unsere Knie, wenn wir KnieBEUGEN machen).

Die Stiche von Ridinger waren Zeichnungen und eben Stiche und es steht nirgends geschrieben und es belegt keine biomechanische Abhandlung, dass es sinnvoll ist, sein Pferd so zu traktieren, damit es aussieht, wie auf den Bildern. Wir malen ja auch unsere Kinder nicht an, damit sie der blauen Phase von Picasso entsprechen oder habe ich das was nicht mitgekriegt?

Mein Pferd galoppiert schon auf der Weide traversartig und hat damit eine Veranlagung für Seitengänge

Hier habe ich es demonstriert: Das Pferd geht kein korrektes Travers, sondern läuft einfach nur schief. Davon abgesehen war Fidel über dieses Geeier mehr als verstimmt 😉

Nein, ein Pferd, das so schief galoppiert, ist schief und muss erst einmal geradegerichtet werden. Es hat nichts mit der Veranlagung für Seitengänge zu tun. Es liegt vielmehr an der mehr oder weniger ausgeprägten natürlichen Schiefe des Pferdes und wenn das in der weiteren Ausbildung erhalten bleibt, ist da etwas ziemlich falsch gelaufen…

Man muss ein Pferd schon zu Beginn der Ausbildung versammeln!

Hier habe ich es demonstriert: Das ist keine korrekte Versammlung. Man sieht im Gegenteil deutlich, dass das Pferd das Hinterbein nach hinten herausstellt und den Rücken wegdrückt. Am Ohrenspiel ist die Unsicherheit ebenfalls deutlich zu erkennen sowie am unruhigen Schweif!!!!

Nein. Das muss man nicht, denn dafür fehlt dem wenig oder ungerittenen Pferd a) die Kraft und damit die Muskulatur und b) die Elastizität und die Fähigkeit, die Hinterhandgelenke zu beugen. Junge oder noch nicht ausgebildete Pferd sollten fleissig vorwärts geritten werden, damit das Hinterbein durchtritt und die Pferde durch den Schub aus der Hinterhand lernen, die Anlehnung zu suchen. Dadurch wird das Pferd dann von hinten nach vorne gearbeitet. Alles andere wäre genau falsch herum!

Falsch verstandene Versammlung endet in einem Ausweichen, in kompensatorischen Bewegungsabläufen, in einem weg gedrückten Rücken, in einem herausgepressten Unterhals, um sich auf der Vorhand zu stützen und in einer hochgezogenen Kruppe, mit unter den Bauch gezogenen und nach hinten heraus gestellten Hinterbeinen oder in rückständigen Piaffeversuchen. Solange ein Pferd keine absolut korrekte Anlehnung zeigt, ist es für Versammlung zu früh! Über weitergehende Versuche wie Piaffen und Passagen braucht man dann überhaupt nicht zu philosophieren.

Manchmal wundere ich mich, was in den Köpfen von Menschen abgeht, die sich auf einer Ebene bewegen wollen, von der sie reiterlich so weit weg sind, wie das Mars von der Venus. Es braucht ein grosses reiterliches Können, ein Pferd dahin zu reiten und auszubilden, dass es sich in allen Lebenslagen loslässt und durch richtiges Reiten korrekt bemuskelt ist. Das spricht in meinen Augen mehr über reiterliches Können als jede Medaille, Schleife oder schief gezogenes Gezappel, was der Einzelne dann stolz Piaffe nennt. 

Zufriedenheit, Vertrauen zum Menschen und Gesundheit des Pferdes hängen nicht an frühzeitigen Versammlungs- oder Lektionsversuchen, sondern an innerer und äusserer Losgelassenheit….