Tag:Stellungsfehler

Ständig verwirft sich mein Pferd im Genick

„All horses worked in exercises on two-tracks must keep both ears at the same height. Horses who tilt their heads are either being forced to execute a figure or not being properly guided. Lack of flexibility in the right hip joint will cause the horse to lower the right ear, and vice versa. Only leg-yielding can correct this problem making the horse more flexible laterally.”   (“Training the Horse and Rider” von Fritz Stecken)

 

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Demonstration Verwerfen im Genick. Die Reiterin lässt die Stellung im Hals mit der linken Hand nicht ausreichend zu. Durch den Druck auf das Maul verschiebt das Pferd den Unterkiefer und verwirft sich. Die Position des rechten Ohres ist tiefer als des linken. Auch wird durch die rückwärtswirkende Hand die linke Hüfte in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, was das Verwerfen zusätzlich provoziert.

 

 

 

Verwerfen im Genick ist ein Problem, das viele Hintergründe haben kann. Hat das Pferd Verwerfen verinnerlicht, ist es nicht so einfach, es wieder zu beseitigen!

 

Verwerfen im Genick kann viele Ursachen haben:

  1. Bei jungen Pferden, die noch nicht ausreichend im Gleichgewicht sind, noch nicht gerade gerichtet, kommt es immer wieder zu Phasen des Verwerfens. Wenn die Entwicklung fortschreitet, verwirft es sich mal mehr auf der linken und dann wieder auf der rechten Hand. Das sollte im Laufe der Ausbildung allerdings weg gehen.
  2. Verwerfen im Genick kann auch durch eine fehlerhafte Handeinwirkung entstehen. Je nachdem, nach welcher Seite sich das Pferd verwirft, wirkt die Hand rückwärts. Reitet man beispielsweise eine Volte auf der rechten Hand und das Pferd verwirft sich so, dass das innere Ohr tiefer kommt, liegt das oft auch daran, dass die äußere Hand zu starr ansteht und die Biegung im Hals nicht zulässt. Handhaltung und Einwirkung müssen dann kritisch überprüft werden. Auch kann es daran liegen, dass das Pferd in der gleichseitigen Hüfte nicht ausreichend beweglich ist.
  3. Wenn die Nase hinter der Senkrechten ist, muss sich das Pferd ab einem gewissen Grad verwerfen, da es sich nicht mehr korrekt stellen kann.
  4. Verwerfen kann ein Hinweis sein, dass das Pferd in Brustkorb und Hüfgelenk steif ist.
  5. In Folge von falscher Einwirkung mit dem inneren Zügel. Dadurch kommt es zu einem Ausfallen mit der äußeren Schulter und einem Losmachen vom Zügel.
  6. Ist ein Pferd im Genick sehr fest und die Nackenmuskulatur verspannt, kann auch das zu Verwerfen führen. In einem solchen Fall ist der Tierarzt oder Osteotherapeut gefragt. Der Ursachen ist oft eine rückwärts wirkende und unnachgiebige Hand.
  7. Ist die Nackenmuskulatur noch nicht ausreichend entwickelt, kann es in Phasen der Überlastung zum Verwerfen im Genick kommen. Das Pferd versucht dann, dem Überlastungsschmerz zu entgehen.
  8. Liegt eine osteopathische Läsion – also Blockaden – meist im Bereich 1.-3. Halswirbel vor, wird sich das Pferd auf allen gebogenen Linien, bei fortschreitender Verspannungen auch auf der Geraden verwerfen, um sich dem Schmerz zu entziehen. Ein routinierter Reiter kann das zwar noch eine Zeitlang abfangen, aber lösen lässt sich das Problem dann nur mit Unterstützung des Therapeuten.
  9. Zahnprobleme können ebenfalls zu Verwerfen führen.

 

Das hilft NICHT:

Viele Ausbilder geben den Rat, die Hand gegenüber höher zu heben, um das Verwerfen zu unterbinden. Verwerfen mit der Hand korrigieren zu wollen, ist ein Herumdoktern an Symptomen. Die Ursache wird man so nicht finden!

 

Wir freuen uns über Tipps, Anregungen und Kommentare!

 

Pferde denken anders …..

So denkt unser Partner Pferd!

„Die Wertschätzung zwischen Reiter und Pferd muss auf Gegenseitigkeit beruhen; in diesem Sinne unterwerfen auch wir uns dem Pferd.“

Charles de Kunffy
„Ethik im Dressursport“

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Die Psyche des Pferdes verstehen …

… Ist der Weg zu Harmonie und Vertrauen…

Denkprozesse, psychische Befindlichkeiten und daraus entstehende Handlungsweisen eines Pferdes zu verstehen, macht den Umgang und die Ausbildung eines Pferdes einfacher. Lässt man Gefühle und Bedürfnisse des Partners Pferd außer Acht oder berücksichtigt sie in der Ausbildung nicht in der notwendigen Weise, kann dies schnell zu unüberwindbaren Hindernisse, größeren Problemen und langfristig zu gesundheitlichen Schäden führen. Auch der Aufbau der Muskulatur eines Pferdes ist bis zu einem bestimmten Grad von einer stressfreien Ausbildung abhängig.

 

Wenn man sich mit der Psyche des Pferdes, seinen Denk- sowie Handlungsprozessen etwas intensiver auseinandersetzt, kann man lernen, das Pferd, seine „Wünsche“ und Bedürfnisse, Ängste und „Sorgen“ besser zu verstehen und mit diesem Wissen eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Aus dem System Mensch – Pferd kann so eine richtige und gut funktionierende Partnerschaft geschaffen werden. Die Zuneigung seines Pferdes zu erlangen und Leistungen abzufragen, die oft nur möglich sind, wenn das Pferd Spaß, Freude und Vertrauen zu seinem Reiter/Besitzer hat.

Das Verständnis für die Psyche des Pferdes hilft beim Reiten und Ausbilden außerordentlich. Man kann auf einfache Weise Missverständnisse und Fehler vermeiden. Das bedeutet bei der täglichen Arbeit, dass sich Übungen und Lektionen vom Pferd leichter verinnerlichen lassen und dass beispielsweise das erste Einüben neuer Lektionen beim Pferd zu wenig oder keinem Stress führen. Im Gegenteil, das Pferd ist dann mit Elan und Freude bei der Sache! Motivation pur!

Keinen Stress zu haben heißt auf das Reiten bezogen auch, dass das Pferd bei passenden Rahmenbedingungen wie korrekt liegendem Sattel, passendem Zaumzeug und einem richtig und losgelassen auf dem Pferd sitzenden Reiter, der über eine korrekte und gefühlvolle Einwirkung und Hilfengebung verfügt, es schneller zu ehrlicher innere Losgelassenheit kommt, die dann wiederum die Basis für die äußere Losgelassenheit ist. Das Pferd macht beim Reiten und Ausbilden vertrauensvoll und motiviert mit, lässt sich los.

Über die richtige Arbeit und die ehrliche Losgelassenheit werden dann auch Muskeln an den richtigen Stellen korrekt aufgebaut. Die Muskeln spannen unverspannt an und ab. Das Pferd gibt den Rücken her. Der Rücken ist das Bewegungszentrum eines Pferdes. Er kann nur unverspannt arbeiten, wenn das Pferd zu innerer und äußerer Losgelassenheit kommt.

 

Vertrauen ist die Basis

„Die Ausbildung als Reitpferd sollte für das Pferd Sinn ergeben und motivierend sein, wobei auch mit Belohnung und Berücksichtigung der Instinkte und der Natur, aber vor allem auch der Beziehung und spezifischen Fähigkeiten des Pferdes gearbeitet wird. Ebenso darf der Gewöhnungsaspekt und der systematische Trainingsaufbau nicht vergessen werden sowie die genaue Kenntnis anatomischer, physiologischer Gegebenheiten, der Trainingslehre und der Biomechanik, also der Psychomotorik von Pferd und Mensch. Eine pferdegerechte Ausbildung erfordert einen ganzheitlichen Ansatz.“

(Dr. Ulrike Thiel, „Die Psyche des Pferdes“).
Pferde denken anders als wir Menschen. Ihre Möglichkeiten zu denken, Zusammenhänge und Abhängigkeiten aufzubauen, sind auf die Lebensbedingungen eines Pferdes angepasst und haben sich über Jahrmillionen entwickelt. Von einem Pferd komplexe Gedankengänge zu erwarten, wie beispielsweise das Abwägen von Für und Wider und das Denken um Ecken, um sich selbst Vorteile zu verschaffen oder zu glauben, das Pferde Dinge tun, um uns Menschen zu schikanieren oder um uns „eins auszuwischen“, ist mehr als weit hergeholt. Das können Pferde nicht und sie können es auch nicht erlernen.

Pferde sind zu einer analogen Kommunikation und zu analogem Denken fähig und nicht mehr. Um ihr Leben zu meistern und um mit uns Menschen umzugehen, reichen diese Fähigkeiten allemal aus.  Pferde sind in diesem Zusammenhang äußerst anpassungsfähig.  Sie arrangieren sich mit dem Reiter auf ihrem Rücken. Sie stellen sich angsterregenden Umständen und furchterregenden und lauten Maschinen. Sie sind in der Lage bei richtigem und liebevollem Umgang eine innige Beziehung aufzubauen und sich auf das komplett anders funktionierende und anders denkende Lebewesen Mensch einzulassen. Sie sind dann sogar bereit – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – mit dem Menschen an Problemlösungen zu arbeiten. Dazu gehört unter anderem, dass sie sich darauf einlassen, den Reiter auf ihrem Rücken zu akzeptieren und mit ihm gemeinsam Freude an der Bewegung entwickeln und das obwohl der Reiter auf dem Rücken im ureigentlichen Sinne erst einmal das Raubtier ist (überliefert aus der Zeit als Steppentier, als das Pferd noch als wirkliches Fluchttier lebte), dass sich festkrallt, um das Pferd durch einen gezielten Biss ins Genick zu töten.

Pferde sind in der Lage, ihr ganzes Leben lang zu lernen und dabei auch ein gewisses Geschick zu entwickeln. Diese Fähigkeit kommt dem Menschen bei der Ausbildung des Pferdes sehr entgegen, denn es erlernt Übungen und Lektionen, Sprünge zu überwinden oder sich auf unkomplizierte Art und Weise auf neue Dinge einzulassen.

Diese Lernfähigkeiten können Pferde auch auf andere Dinge übertragen. Sie lernen mit dem geschickten Einsatz von Maul und oder Lippen die tollsten Dinge anzustellen. Das heißt, sie denken bis zu einem gewissen Grad auch komplex. Es gibt Meister im Boxentüren- und Weidezäune-Öffnen und Genies im Halfter ausziehen und unauffällig „Stiftengehen“. Diese Fähigkeiten erfordern die Intelligenz in einfachen Zusammenhängen zu denken und zu handeln. Nämlich: Wenn dieser Weidezaun offen ist, komme ich an das hohe Gras nebenan. So sind machen Pferde in der Lage mit endloser Geduld so lange mit Lippen und Maul an einem Zaun herumzubasteln, bis sich Tür oder Tor oder sogar die Litze öffnen lassen, ohne dass sich Pferde dabei verletzten oder gar einen Stromschlag einkassieren würde.

Um die Denkfähigkeiten eines Pferdes für den täglichen Umgang und in der Arbeit zu nutzen und um eine intensive Beziehung Mensch-Pferd aufzubauen, ist es wichtig zu lernen, Instinkte, Emotionen und Denken auseinanderzuhalten und bewusst mit den Dimensionen des Verhaltens des Pferdes umzugehen.

Das heißt für den Menschen unter anderem, dass er seine Anforderungen an das Lernen von beispielsweise Lektionen oder Übungen auf das Maß abstimmen und reduzieren muss, die das Pferd auch umsetzen kann, ohne dass die psychische Belastung zu hoch wird. Lernen beim Pferd geht wie beim Menschen. In kleinen Schritten vom Einfachen zum Schweren. Wer zu schnell und zu viel fordert, die Denkmöglichkeiten seines Pferdes überschätzt oder unberücksichtigt lässt, wer eigene Denkprozesse auf das Pferd überträgt und dann entsprechende Reaktionen und Verhaltensweisen erwartet und fordert, wird auf ganzer Linie scheitern.
Dieses Scheitern muss sich nicht unbedingt sofort in Widersetzlichkeiten wie Bocken, Steigen, Beißen oder Treten zeigen. Es kann sich in Unsicherheiten, Schreckhaftigkeit, Blockieren, in Darmproblemen, Verspannungen, Rückenproblemen bis hin zu Erkrankungen des Knochen- und Bandappartes darstellen und auch – wie heute leider immer häufiger – in Magengeschwüren und neurotischen Verhaltensweisen äußern. Klare Hinweise darauf, dass etwas grundverkehrt gelaufen ist.

Ein Pferd, dass sich wohlfühlt, dass Sicherheit in der Beziehung zu seinem Menschen findet, hat in den allermeisten Fällen schon ein ganz anderes Auge als ein Pferd, dass dauerhaft unter Stress steht, da beispielsweise die reiterlichen Anforderungen viel zu hoch sind!

 

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Junges Pferd mit entspanntem Gesichtsausdruck und aufmerksamem aber ruhigem Auge. Immer ein auch ein Hinweis darauf, dass das Pferd in der Ausbildung die Zeit hat, die es braucht, um die gestellten Anforderungen zu verarbeiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

stress_blickPferd gleichen Alters wie das Pferd auf dem vorherigen Foto, dass aufgrund der reiterlichen Anforderungen und der fruchteinflössenden Umgebung (großes Turnier, viele Menschen, Gerüche und Geräusche) massiv unter Strom steht. Überforderung und Angst sind auch am Auge des Pferdes deutlich zu erkennen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Pferd zu konditionieren… Ist das ein sinnvoller Weg in der Ausbildung?

„Wollen wir einem Pferd begreiflich machen, was es tun soll, und wollen wir auch, dass es dies umsetzt, dann müssen wir das am besten auf der Grundlage einer guten Beziehung und einer artspezifischen Grundlage tun….. Das ist etwas anderes, als nur auf künstiliche erzeugte „Knöpfe“ zu drücken, um eine Reaktion zu bekommen.“ (Dr. Ulrike Thiel)

Pferde sind in einem gewissen Maße in der Lage mitzudenken und bis zu einem bestimmten Grad „den Sinn einer Sache“ zu erkennen und Freude daran zu entwickeln. In der Ausbildung sollte man diese Möglichkeit nutzen und im Rahmen des Machbaren eines Pferdes auch weiterentwickeln. Dies alles muss natürlich in einem stressfreien Rahmen geschehen, damit das Pferd die Chance hat, sich auf das zu konzentrieren, was wir von ihm fordern.  Wann immer Stress und Unruhe entstehen, kann sich das Pferd nicht mehr in dem notwendigen Maß auf uns konzentrieren, da ihm die Fähigkeit fehlt, das eine vom anderen zu trennen. Es hat Stress und versucht den Auslöser der Stresssituation loszuwerden. Das geschieht in Form von Flucht. Flucht heißt nicht unbedingt, dass es in wilder Panik davon stürzen wird. Flucht kann auch bedeuten, einfach nur unruhig oder unkonzentriert zu sein.

Unter dem Gesichtspunkt richtiger und falscher Wege im Reitsport, gibt es heute sehr viel, was als pferdegerecht, Stress- und traumafrei verkauft wird. Wir wollen, dass es unseren Pferden gut geht und damit gehen wir gerne auch neue und andere Wege.
Sind diese Wege im Sinne der psychischen Belastung richtig oder falsch?
Kann sich das Pferd damit wohlfühlen?
Das entscheidet sich leider meist erst, nachdem man es über einen gewissen Zeitraum ausprobiert hat. Das Ergebnis kann dann ein positives sein, dem Pferd aber auch mehr schaden, als es ihm gut tut….

 

Im Sinne des Pferdes?

Diese Frage stellt man sich meist nicht.
Psychologen und Veterinärmediziner haben über Tests und Versuchsreihen festgestellt, dass alle Methoden, bei denen Pferden (auch Tiere allgemein) durch reine Geräusch-, Bewegungs-, Handhaltungs- etc. Systeme etwas beigebracht wird, ausschließlich ein „ Knopfdruckgehorsam“ etabliert wird. Dabei wird vernachlässigt, dass dem Pferd das Mitdenken unmöglich gemacht wird, denn es versteht den Sinn einer Handlung oder einer geforderten Verhaltensweise nicht. Es wird einfach nur konditioniert. Beispiel: „Wenn ich stehenbleibe, kriege ich ein Leckerli.“

Sein Verhalten wird also nur automatisiert und es kann sich in das System nicht einbringen. Die individuelle Pferdepersönlichkeit bleibt bei diesen Vorgehensweisen vollkommen unberücksichtigt. Man muss sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, wie stressfrei ist ein Ausbildungsweg, bei dem dem Tier das Denken abgewöhnt wird?

Auch sind solche Lernmethoden nicht geeignet, einem Tier unerwünschte Verhaltensweisen abzugewöhnen. Unerwünschtes Verhalten lässt sich nur durch „Löschung“ der Alten/fehlerhaften Verhaltensweise und dem Etablieren von Alternativen schaffen. Mit einem System aus Geräusch und Belohnung schafft man nur ein Reiz- und Reaktionssystem. Das Pferd lernt nicht zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist. Es lernt nur: Ich mache das und dafür kriege was….

Für eine Ausbildung unter dem Reiter sind solche Methoden und Systeme sicherlich wenig sinnvoll. Denn das Pferd lernt darüber nicht, sich mit Hilfen und Einwirkung des Reiters auseinanderzusetzen.

Pferde lernen sehr schnell, eine korrekte Einwirkung und Hilfengebung entsprechend umzusetzen und den „Vorschlägen“ ihres Reiters Folge zu leisten. Man wird überrascht sein, wie schnell ein junges Pferd das Angaloppieren lernt und wie schnell es begreift, wie eine Kehrtwendung funktioniert. Dabei wird der natürliche Impuls eines Pferdes etwas zu tun (z.B. mehr Bewegung durch Galoppieren, aktiver zu werden), durch den Impuls des Reiters unterstützt. So wie andere auf der Weide galoppierende Pferde den Außenreiz liefern, selbst anzugaloppieren, so liefert beim Reiten der Reiter diesen Außenreiz. Das Pferd führt den Impuls nur fort.

Wenn beide auf einander eingespielt sind, erscheint es für Außenstehende oft so, als würde der Reiter keine Hilfen erteilen, das Pferd auf das reine Denken seines Reiters reagieren. Es ist jedoch so, dass Reiter und Pferd in einem permanenten Dialog stehen und beide auf den kleinste Veränderung der Muskelanspannung oder Gewichtsverlagerung, minimale Veränderung in der Lage der Schenkel, halbe Parade reagieren können. Beide verarbeiten das Reiten also auch geistig, denken quasi gemeinsam nach und verarbeiten das getane und zu tuende gemeinsam. Sie ergänzen sich und das Pferd greift den Vorschlag seines Reiters zum Angaloppieren auf und setzt ihn um, da das Galoppieren ja unter anderem der natürlichen Bewegungslust des Pferdes entspricht.

Ein gefühlvoll einwirkender Reiter unterstützt somit die Bewegungsfreude seines Pferdes.

 

Richtig Reiten ist die Basis für Vertrauen!

Mit einem korrekten Sitz, bei dem der Reiter in der Bewegung des Pferdes losgelassen mitschwingt und im Schwerpunkt sitzt, ohne mit dem Oberkörper nach vorne oder nach hinten, nach links oder rechts zu schaukeln und das mit einer ruhigen und gefühlvoll einwirkenden Hand, die unabhängig vom Sitz eine elastische Verbindung zum Pferdemaul darstellt, stört der Reiter sein Pferd bei seiner Bewegungsaufgabe nicht.

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Korrekter Sitz und gefühlvolle Einwirkung sind die Basis für das Vertrauen unter dem Reiter! (Foto: Katja Sutppia)

 

Schleichen sich jedoch Fehler in Sitz und Einwirkung ein, nehmen diese immer Einfluss auf die unterschiedlichen Körperteile des Pferdes und damit auf Haltung und Bewegungsablauf. Je nachdem, wie groß die fehlerhafte Einwirkung ist, führt es nicht nur zu Takt- und im weiteren Verlauf zu Gangfehlern, sondern auch zu Verspannungen, körperlichen Problemen und mit der Zeit zu irreparablen Schäden. Neben den körperlichen Erscheinungen haben reiterliche Fehler natürlich auch Einfluss auf die psychische Verfassung des Pferdes.

Die Einwirkung auf das empfindliche Pferdemaul sollte immer sehr gefühlvoll erfolgen. Ist die Nase an der Senkrechten, die Verbindung konstant und federnd, Hilfen und Sitz korrekt, fühlt sich das Pferd wohl. Es ist innerlich wie äußerlich losgelassen.

Die Nase dauerhaft hinter der Senkrechten, eine absolute Aufrichtung, eine rückwärtswirkende und harte Hand und ein nach hinten verlagerter Oberkörper – wie man es heute allenthalben sieht – schränken nicht nur die Bewegungsmöglichkeiten ein, machen übermäßigen Druck auf das Pferdemaul, sondern sie stören auch die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd.
Es kommt zu Missverständnissen. Viele Pferde haben in solchen Situationen Angst. Angst vor grober Einwirkung, eventuell auftretender Ungerechtigkeit oder auch Angst vor dem Schmerz. Diese Angst geht mit einem Vertrauensverlust einher. Das Pferd wird unsicher. Reiter und Pferd „reden aneinander vorbei“.
Viele Pferde werden in solchen Situation oft hektisch, sind unkonzentriert und reagieren auf alles, nur nicht mehr auf ihren Reiter.

Wenn aus einer solchen Situation eine negative Spirale wird, wird für das Pferd das Reiten schon zu einer furchterregenden Angelegenheit bevor der Reiter überhaupt aufgestiegen ist. Beim Putzen tut der verspannte Rücken weh, die Pferde zucken und weichen mit dem Rücken nach unten aus. Wenn der Reiter mit dem Sattel kommt, werden Pferde mit schlechten Erfahrungen oft schon unruhig, manche äppeln übermäßig viel. Beim Nachgurten weichen sie aus, sind unruhig, manche treten sogar. Das sind Hinweise auf eine viel zu hohe psychische und physische Belastung. Die daraus nicht selten folgenden Widersetzlichkeiten sind immer Symptome dafür, dass die Dinge einheitlich in eine falsche Richtung laufen. Es ist dann an der Zeit, nach Ursachen zu forschen und nach Lösungen zu suchen, denn auf einer solchen Basis ist die Beziehung zwischen Reiter und Pferd dauerhaft gestört.

Auch für gefühlvoll einwirkende Reiter ist ein Pferd, das schlechte Erfahrungen gemacht hat eine Herausforderung. Er muss dafür sorgen, das Pferd beim Reiten nicht mehr zu stören und unkontrollierte Bewegungen und Verspannungen durch einen sehr elastischen Sitz aufzufangen. Das Pferd muss erst wieder lernen, sich auf den Reiter/Menschen einzulassen und erkennen, dass es keine Angst zu haben braucht und das es sich auf den Menschen auf seinem Rücken einlassen kann.

In allen Stresssituationen hilft dem Pferd die Ruhe von Reiter oder Besitzer. Unsere Unruhe überträgt sich genauso auf das Pferd, wie wenn wir uns etwas ärgern oder gereitzt sind. Pferde sind hochsensibel und sie finden in uns Sicherheit und das Gefühl beschützt zu sein oder wir sind ein Grund für Angst und Unsicherheit.

Viel zu Loben, Vertrauen zu schaffen und eine gut funktionierende Partnerschaft aufzubauen, sind der beste Weg, dass das Pferd bei einer korrekten Ausbildung und einem gefühlvoll einwirkenden Reiter bis in ein hohes Alter gesund bleiben kann! Die Pferde danken uns das mit Zuneigung! Sie danken uns das auch mit Zuverlässigkeit, Leistungsbereitschaft und mit einem entsprechend handelbaren Verhalten auch in gefährlichen Situationen.
Wir freuen uns über Anregungen und Kommentare zu unseren Artikeln und Post!
Vielen Dank im Voraus

 

 

 

 

Traurig! Wo ist das Wissen geblieben?

In den letzten Tagen haben uns einige Mails und Kurzvideos von Reitern erreicht, deren Pferde massive Rückenprobleme haben und deren Pferde unter dem Reiter auf den Videos lahm waren.

Auf meine Frage an eine verzweifelte Besitzerin, ob denn keinem aufgefallen sei, dass das Pferd nicht faul, sondern LAHM ist, meinte sie, der Reitlehrer hätte ihr gesagt, sie solle darüber hinweg reiten. Das Pferd müsse sich erst einlaufen. Nach einiger Zeit sei es dann auch besser. Die Stute wäre nicht mehr „stöckerich“ und nicht mehr ganz so faul!

Wann immer ein Pferd zu Beginn des Reitens hölzern geht, hat es massive Probleme – meist Rückenprobleme. Es hat Schmerzen und diese sind nicht unerheblich. Ein Pferd muss vom ersten Moment an fleißig vorwärts gehen ohne zu eilen und der erste Trabtritt muss taktrein sein.

Leider wird dann noch immer von Tierärzten einfach nur gespritzt und das Pferd bewegt sich erst einmal wieder etwas besser! Das ist aber nicht die Lösung! Damit bekämpft man nicht die Ursache, sondern nur das Symptom! Man sollte ganz konsequent nach den Ursachen suchen!

Passt der Sattel? Steht das Pferd korrekt/ist es richtig beschlagen? Mache ich reiterlich etwas falsch? Wie ist mein Sitz? Meine Einwirkung? Das Zügelmaß?

So wichtig ist das richtige Zügelmaß!!!

Der Fehler beginnt meist schon im Schritt! Heute haben die meisten Reiter ihre Zügel viel zu kurz und das schon im Schritt. Wenn schon in der Lösungsphase oder während des ersten Schrittreitens zu Beginn des Trainings oder der Reitestunde der Zügel so kurz ist wie auf dem folgenden Foto, dann ist das schon grundlegend falsch und eine Ursache für Rückenprobleme.

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Der Zügel auf diesem Foto ist VIEL zu kurz.

Ein solches Zügelmaß führt mit der Zeit immer zu Rückenprobleme. Das Pferd kann den Rücken nicht hergeben. Das führt zu Verspannungen.

_DSC3302Foto: Katja Stuppia

Der Zügel sollte mindestens diese Länge haben, so dass das Pferd den Rücken heben kann und sich vorwärts-abwärts dehnen kann.

Wichtig ist, dass eine Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul vorhanden ist. Wenn der Zügel bei dieser Länge durchhängt, dann stimmt etwas nicht. Meist sind Verspannungen der Grund, dass das Pferd mit der Nase nicht vorkommt und das Gebiss nicht annimmt!

_DSC3335Foto: Katja Stuppia

Zügel aus der Hand kauen lassen bis zur Schnalle macht den Rücken richtig locker!

 

In jeder Reitstunde sollte man im Schritt drei bis viermal Zügel aus der Hand kauen lassen bis zur Schnalle reiten und das 1-2 lange Seiten hintereinander. Das macht den Rücken locker und die Pferde schnauben zufrieden ab.

Das gleiche gilt für den Trab und den Galopp. Wenn man es sich zum Grundsatz macht, dass nach jeder Lektionenfolge, nach jeder Versammlung ein Zügel aus der Hand kauen lassen folgt und die Pferde dabei das Gebiss annehmen und sich davon abstoßen, Sitz- und Einwirkung korrekt sind, dann entstehen Rückenprobleme nicht!

Bei Fragen und Sorgen, einfach eine Mail schicken! Wir helfen, wenn wir können!

 

Diagnose Kissing Spine – das muss nicht das AUS bedeuten!

Das ist mein Wildi!

von Lisa Thoben

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Seit Dezember 2015 haben wir die Diagnose Kissing Spine mit einem stark ausgeprägten Befund. Das zu erfahren war ein großer Schock, aber ich habe mich entschieden, das mit ihm durchzustehen und habe zum Glück nach langem Suchen jemanden gefunden der mir dabei hilft! Anne Schmatelka steht uns immer zur Seite, wofür ich unendlich dankbar bin! Hier möchte ich Euch teilhaben lassen an unserem bisherigen Weg und hoffe, dass das Mut macht, nicht aufzugeben, wenn einem dieser Befund mitgeteilt wird!

Ich hatte eigentlich nie so ganz das Gefühl, dass mit meinem Pferd alles hundertprozentig in Ordnung ist. Erklären konnte ich es nicht. Ich habe ihn nun seit zwei Jahren. Schon als ich ihn gekauft habe war er viel zu dünn, unförmig und falsch bemuskelt (was mir damals noch nicht auffiel, da mir das nötige Wissen fehlte). Lange dachte ich, er sei einfach nur total faul. Allein von der Abstammung her hätte er aber viel mehr Bewegungsdrang haben müssen. Um jeden Schritt musste ich betteln, nach dem Reiten war ich schweißnass und alle haben gesagt, ich sollte mich endlich einmal durchsetzen, der würde mich nur verarschen. Da ich davon aber nie so ganz überzeugt war, habe ich schon damals versucht herauszufinden, woran das denn wirklich liegen könnte. Blutbild, Osteopathietermine, Lesen, Lesen und noch mehr Lesen. So wirklich etwas verbessern konnte ich trotzdem nicht. Im Gegenteil, irgendwann während einer Springstunde war es dann vorbei. Wildi blieb stehen und wollte ab da nicht mehr galoppieren. Auch Schritt und Trab wurden immer mühsamer. Sogar im Gelände wollte er nicht mehr vorwärts. Aber keiner hat mich ernst genommen. Auch die „Experten“ waren immer noch der Meinung, dass da nichts wäre und dass ich mich endlich durchsetzen sollte…

Zum Glück hat eine befreundete Tierärztin – die selbst reitet – davon gehört und mir geraten, den Rücken sofort röntgen zu lassen, da sie der Überzeugung war, dass Pferde die sich so verhalten wahrscheinlich Schmerzen haben. Diese Bestätigung hatte ich irgendwie gebraucht und habe dann auch endlich Bilder machen lassen. Dabei bestätigte sich das, was ich insgeheim schon lange befürchtet hatte. Kissing Spines. Da brach für mich eine Welt zusammen! Ich dachte: Das war‘s jetzt.

Nachdem ich unendlich viele Meinungen von endlos vielen Menschen und auch Ärzten gehört habe, die von Einschläfern über einfach vorwärts abwärts reiten alles beinhalteten, mir jedoch keiner richtig helfen wollte oder konnte,  habe ich zum Glück das Buch „Über den Rücken“ (handelt von Rückenproblemen beim Pferd) von Anne Schmatelka gelesen und Kontakt zu ihr aufgenommen. Sie hat mir dann sehr schnell geantwortet und angeboten, mir zu helfen.

 

Die Reise beginnt

Einen Monat später sind wir dann von Bayern nach Niedersachsen zu ihr gefahren. Das ist jetzt drei Monate her und es war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Und heute  bin ich überzeugt, auch die einzige, die Wildi ein schmerzfreies und schönes Pferdeleben ermöglichen konnte.

Vor der Reise hat er erst einmal Mittel gegen die Schmerzen und Entzündungen im Rücken bekommen. In den drei Wochen habe ich ihn nur auf die Koppel gestellt und ihn verwöhnt wo es nur ging. Das fand er glaube ich auch gar nicht so schlecht und man hat sofort gemerkt, dass ihm das gut tat. Das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, es geht ihm wirklich etwas besser. Im Gegensatz zu den Spritzen und der Stoßwelle, die er vorher auf Anordnung des Tierarztes bekam. Da konnte man nämlich leider keine Verbesserung feststellen… Geritten hatte ich ihn bis zu dem Zeitpunkt schon fast drei Monate nicht mehr. Heute bin ich mehr als froh, dass ich da immer auf mein Bauchgefühl gehört habe. Hätte ich auf den Rat vom Arzt gehört, nämlich einfach weiterzumachen, hätte ich ihm noch mehr Schmerzen zugefügt.

Bevor wir mit dem eigentlichen Training beginnen konnten, kam erst einmal die Osteopathin. Die erste übrigens, die vorhandene Blockaden wirklich gelöst hat und ihm durch ihre Arbeit Erleichterung schaffen konnte, so dass auch die vielen, teilweise sehr alten Bewegungseinschränkungen beseitigt werden konnten. Der erste Schritt zurück in ein schmerzfreies Reitpferdeleben. Ich bekam Hausaufgaben und Massageübungen gezeigt, die ich jeden Tag wiederholte. Unterstützend durfte er die Equusir BIOS System Decke tragen, die er vom ersten Moment an liebte.

Frank Diekmann hat ihn dann zusätzlich noch anders beschlagen. Er stolperte auf einmal nicht mehr und hatte durch die perfekte Anpassung auf ihn und seine Bedürfnisse auch eine Entlastung im Rücken.

Frank Wohlhorn hat parallel einen Sattel angemessen, denn von meinen Sätteln passte keiner und das, obwohl ich dachte, einen guten Sattler zu haben. Meine Sättel waren so unpassend und viel zu eng, dass Anne Schmatelka schon beim ersten Auflegen der Sättel sagte: „Die nehmen wir nie wieder. Das muss sich Frank anschauen!“.

Gleichzeitig haben wir auch das Futter umgestellt. Wildi war schon immer etwas schlechtfuttrig und hat viele Futterzusätze nicht dauerhaft aufnehmen wollen. Michael Dierks von Mühldorfer hat uns dann ein ganz spezielles Aufbaufutter empfohlen. Das hat ihm von Anfang an super geschmeckt und er hat nie ein Körnchen übrig gelassen. Wir haben dann auch auf dreimal Kraftfutter am Tag umgestellt und ich habe ihm sein Müsli mittags auf die Weide gebracht. Wenn er den Eimer sah, kam er schon angetrabt und hat freudig gegrummelt und gewiehert. Total süß!

Nachdem alle Rahmenbedingungen passten haben wir begonnen zu longieren. Erst an der einfachen Longe und dann an der Doppellonge. Schon nach dem ersten Mal „richtig Longieren“ begann er zufrieden abzuschnauben und ging etwas besser vorwärts. Bis zu dem Zeitpunkt bin eigentlich nur ich bis zur Erschöpfung gerannt und mein Pferd wollte sich überhaupt nicht bewegen.


Reiten beginnt!

Nach knapp drei Wochen durfte ich dann das erste Mal wieder in den Sattel. Er war zwar fleißiger als früher, aber so richtig geändert hatte sich noch nichts, obwohl er schon ein wenig an Masse und Muskulatur zugelegt hatte. Von da an bekam ich Sitzschulungen an der Longe. Es war frustrierend, denn ich hatte das Gefühl, ich kann eigentlich gar nichts und begann jeden Tag mehr, mein Können und Wissen übers richtige Reiten zu hinterfragen. Mit der Zeit hat Anne dann angefangen Wildi mit zu reiten und auch auszubilden. Denn von Ausbildung oder nur im Ansatz gerade gerichtet sein, konnte man überhaupt nicht sprechen. Auch das war mir nie wirklich bewusst gewesen. Sie hat ihn geritten, wie eine junge Remonte und das, obwohl er schon neun Jahre alt ist. Galoppiert hat sie ihn die ersten Tage überhaupt nicht. Er war noch so steif, machte sich schief, sprang nicht durch und klemmte. Nach ungefähr zwei Wochen wollte er dann auf einmal von sich aus angaloppieren. Das war für mich einer der schönste Momente überhaupt!

Nach fast sechs WoDSC_7084chen musste ich dann leider wieder nach Hause fahren. Ich habe mich dazu entschieden meinen Wildi bei Anne zu lassen und jedes Wochenende zu ihm zu fahren. Er hat seitdem schon so große Fortschritte gemacht, dass es mir richtig schwerfällt mitzuhalten. Obwohl ich seit gut 15 Jahren reite und auch immer Dressur- und Spring-Unterricht hatte, weiß ich heute, dass ich leider eigentlich nichts gelernt habe…zumindest nichts, was mit pferdegerechtem Reiten und Gymnastizieren zu tun hat. Ich konnte mein Pferd zwar super mit der Hand zusammenziehen und auch irgendwie durch einen Parcours quetschen, aber mit richtigem Reiten hatte das nichts zu tun…
Momentan bin ich froh, wenn ich es schaffe anzutraben. Das klingt unmöglich, ist aber wirklich so. Mein Pferd reagiert nämlich mittlerweile auf minimale Hilfen und wenn ich meine Hüfte einen Tick zu weit in die falsche Richtung drehe, läuft Wildi im Kreis oder traversartig schief durch die Bahn. Ich hätte niemals gedacht, dass Reiten in Wirklichkeit so unfassbar schwer ist. Doch mein Großer ist der beste Lehrer, den ich haben kann. Er versteht so viel mehr als ich und kann das richtige auch tausendmal schneller umsetzen. Anne zitiert in diesen Momenten dann immer Herrn Stecken: „Die Pferde gehen so gerne richtig….“. Das ist so wahr. Dann sind sie zufrieden und machen es gerne….

Ich schäme mich für jedes Mal, das ich meinem Pferd in der Vergangenheit mit Grobheit, Unwissenheit und fehlender Fairness Unrecht getan habe. Nicht nur wegen seinem Befund, den ich auch mit verschuldet habe, sondern auch, weil er mir immer wieder vergeben hat und mir so viele Chancen gab, es endlich richtig zu machen. Er hat mir immer all‘ seine Liebe geschenkt und dafür bin ich unendlich dankbar. Mit Anne an meiner Seite habe ich nun das erste Mal in meinem Leben als Reiter das Gefühl oder viel mehr die Gewissheit es richtig zu machen und die Veränderungen meines Pferdes geben uns mehr als Recht.

Danke Anne
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Mehr dazu auch auf unserem Expertenblog von ehorses!

 

Rückenprobleme – immer wieder ein Thema

Rückenprobleme und Kissing Spines
Woher sie kommen und was man dagegen tun kann!

Meist beginnt es so:

Das Pferd lahmt, aber der Tierarzt kann nichts finden. Im Schritt geht es passartig, im Trab ist das Pferd zügellahm, der Galopp ist kein reiner Dreitakt mehr, nicht durchgesprungen, schon fast Vierschlag. Die Übergänge sind nicht fließend. Lektionen führt das Pferd unwillig aus. Das Pferd ist triebig, fast faul oder sehr schnell widersetzlich, schlägt die meiste Zeit mit dem Schweif, die Ohren nicht selten unwillig nach hinten gelegt. Viele Pferde klemmen nach dem Aufsteigen, beim Satteln zeigen sie Sattelzwang, beim Putzen sind sie im Rücken empfindlich, lassen den Rücken nach unten absinken, manch einer versucht zu treten.

Dann kommt die Zeit, dass sich das Pferd zu Beginn des Reitens erst „einlaufen muss“, die Hinterbeine fußen nicht mehr aktiv ab, der Takt ist nicht mehr sicher geregelt, aus ersten Taktfehlern werden Gangfehler. Eine konstante Anlehnung ist nicht mehr gegeben. Alles erfolgt mit immer mehr Kraft und Druck durch den Reiter. Viele Pferde werden in dieser Phase widersetzlich. Sie schlagen mit dem Schweif, drängen rückwärts, buckeln oder steigen, denn sie haben Schmerzen.

Man ruft abermals den Tierarzt und dann kommt die Diagnose: Erste Engstände zwischen den Dornfortsätzen oder sogar schon Kissing Spines!

Wie eine Breitseite trifft es einen…

Aber man hat doch alles richtig machen wollen, was war denn nur falsch?

 

So werden viele Pferdebesitzer gedacht haben, als ihnen die Diagnose vom Tierarzt mitgeteilt wurde, dass ihr Pferd einen irreparablen Schaden an der Wirbelsäule hat.

Und jetzt?

Wir könnten es uns bequem machen und behaupten, dies liege an den so empfindlichen Zuchtlinien. Die heute gezüchteten Reitpferde nehmen uns Reitern durch ihre Sensibilität, ihre hohe Rittigkeit und ihre exzellenten Reitpferdeeigenschaften (leider) zu viel ab. Viele glauben, nicht mehr sorgsam reiten zu müssen, um die Qualität des Pferdes zu erhalten respektive sie zu fördern oder um beim Reiten überhaupt Losgelassenheit zu erreichen. Hinzu kommt, dass immer mehr Reiter auf die eigentliche Basisarbeit, die Dressur, verzichten.

Auch elementare Fehler in Sitz und Einwirkung tragen haben einen großen Anteil an dieser Diagnose. Wirken die Hilfen nicht richtig zusammen, hat ein Reiter einen fehlerhaften Sitz, vielleicht ein dauerhaft harte und rückwärts wirkende Hand, hängt der Zügel vielleicht die meiste Zeit durch und es ist kein Ausbilder vorhanden, der diese Sitzfehler konsequent korrigiert, damit Reiter lernen, unabhängig von der Hand korrekt im Schwerpunkt zu sitzen und mitzuschwingen, macht man den Pferden ein Gesundbleiben fast unmöglich.

In den allermeisten Fällen entwickeln sich Kissing Spines und andere Rückenprobleme des Pferdes durch fehlerhaftes Reiten und Ausbilden: mit zu viel Handeinwirkung, zu viel Aufrichtung, zu hohem Tempo oder permanentem Untertempo, zu wenig Aktivität aus der Hinterhand, falsch verstandener oder keiner Anlehnung, zu wenig Gymnastizierung. Das Ergebnis sind entweder „auseinandergefallene“, auf die Vorhand gerittene Pferde ohne korrekte Grundausbildung oder aber Pferde, die permanent „oben dran“ gestellt „um ihr Leben strampeln“. Ein weiteres Problem ist heute die Eile in der Ausbildung, die es den Pferden schwer macht, gesund zu bleiben. Pferde sind oft schon in jungen Jahren massiv überfordert, müssen sich einem übersteigerten Erfolgsdruck fügen.

Die Remonte war früher vier bis fünf Jahre alt, wenn sie unter den Sattel kam. Die Knochen und Gelenke waren dann schon viel stabiler und gefestigter als sie es mit drei Jahren (das heute übliche Alter zum Einreiten) überhaupt sein können. Man ließ sich Zeit bei der Arbeit an der Longe und half dem Pferd damit, die notwendige Basismuskulatur aufzubauen, um später das Reitergewicht ohne Schaden tragen zu können. Nach dem ersten Einreiten ging es ins Gelände. Die Pferde wurden nicht wie heute schon fast üblich auf aufwendige Bewegungen gedrillt oder in Rollkurmanier zusammengezogen, sondern durften in zwangloser Selbsthaltung in allen Gangarten laufen. Ziel war, Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen und Gelenke zu stabilisieren, die Schwungentwicklung zu fördern und die natürliche Qualität der Bewegung zu erhalten, respektive zu verbessern. So lernten die Pferde schon fast spielerisch, den Hals fallen zu lassen, das Gebiss anzunehmen und sich davon abzustoßen. Dann begann der Reiter mit Zügel aus der Hand kauen lassen in den drei Grundgangarten, ersten großen gebogenen Linien, Achten und nur grundlegenden Übungen und Lektionen. Die Fähigkeit, das eigene Gleichgewicht zu finden, ergab sich durch diese Ausbildung fast nebenbei. Erst nach rund zwei Jahren, wenn das Pferd gefestigt war, begann die wirkliche Arbeit in der Dressur. Dressurarbeit durchlief jedes Pferd, um erst danach seiner entsprechenden Spezialisierung zugeführt zu werden.

Dieser Weg wird heute kaum noch gewählt – weil er zu viel Zeit kostet und zu viel Geld. Ein Fünfjähriger, der nicht mehr kann, als im Gelände bergauf und bergab zu laufen, der nicht mindestens L-Dressur-Lektionen beherrscht oder mindestens ein L-Springen gegangen ist, ist eigentlich nichts wert.

Das Ergebnis dieses übersteigerten Erfolgsdrucks sind: steife, verkrampfte und fehlbe-muskelte Pferde. Es entstehen Sehnenschäden, Fesselträgerentzündungen, Kissing Spines, Genickschäden, Nackenbandreizungen, Entzündungen, psychische Probleme und viele weitere Befunde, die oft schon in den ersten Ausbildungsjahren zu irreparablen Schädi-gungen führen.

 

Sind Rückenprobleme oder Kissing Spines erst einmal vorhanden, ist spätestens dann der Zeitpunkt gekommen, um etwas zu ändern, und das heißt:

– neue Wege zu gehen,
– Dinge anders zu machen als bisher,
– Dinge anders zu machen als andere,
– auch einmal „NEIN“ zu sagen,
– bisher praktizierte, evtl. falsche Methoden zu hinterfragen.

Denn Engstände zwischen den Dornfortsätzen oder Kissing Spines sind irreparabel und für das Pferd ein nicht mehr heilbarer Schaden, der mit großen Schmerzen verbunden sein kann!

 

Ein solcher Befund muss allerdings kein Weltuntergang sein!

Man muss jetzt nur anders an die Dinge herangehen. Und das heißt: die Grundlagen schaffen, damit es für die Zukunft wieder funktionieren und das Pferd ohne Schmerzen leben und geritten werden kann.

Dazu gehören:

  • ein schmerzfreies Pferd, was manchmal im ersten Schritt nur mit Hilfe von entzündungshemmenden Mitteln zu erreichen ist. Denn nur ohne Entzündungen und Schmerzen kann man an den so wichtigen Muskelaufbau denken.
  • die Unterstützung durch einen guten Osteopatherapeuten, der die Grundmobilität wieder herstellt und entsprechende Übungen vermittelt, damit man als Reiter oder Besitzer sein Pferd für die Zukunft elastisch halten kann.
  • korrekt gestellte Hufe und / oder Beschlag,
  • der für Reiter und Pferd passende Sattel,
  • ein möglichst korrekt sitzender Reiter, der zum Sitzen und zum Treiben kommt.
  • die Schwungentwicklung aus der Hinterhand, korrekte Anlehnung und eine Nase, die an die Senkrechte gehört!

Haben Pferde Rückenprobleme oder irreparable Schäden an der Wirbelsäule, dann verändert sich mit der Zeit die Muskulatur. An den notwendigen Stellen wird sie abgebaut und aus Kompensation an den falschen Stellen aufgebaut. Das führt dazu, dass sich das Pferd vom Erscheinungsbild verändert.

Am folgenden Fotovergleich sieht man deutlich, wie unterschiedlich Rücken aussehen können:

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Die Pferde auf den Fotos 2 und 4 haben massive Rückenprobleme. Aus diesem Grund erinnert die Oberlinie sehr an eine Hügellandschaft und der Rücken ist nach unten abgesunken.

 

Wenn die Basis geschaffen ist….

Nachdem der Sattel passt, die Hufe korrekt gestellt sind, der Rücken schmerzfrei ist, sollte ein Osteopath Blockaden beseitigen und eine erste Grundmobilität wieder herstellen. Bei den Osteopatherapeuten ist es wie bei den Ausbildern, einen wirklich guten zu finden, ist nicht einfach.

Einen fähigen Therapeuten erkennt man an folgenden Dingen:

  1. Die erste Behandlung sollte mindestens 1 ½ Stunden dauern.
  2. Er sollte sich die Zeit nehmen, mit Reiter oder Eigentümer, sich auch ein Bild von dem Wissen und den reiterlichen Fähigkeiten des Reiters zu machen.
  3. Der Osteopath sollte sich das Pferd an der Hand vorführen lassen, sich die Fußfolge in Schritt und Trab genau ansehen, das Pferd an der Longe am Halfter links und rechts herum vorführen lassen, enge Wendungen gehen lassen,
  4. die einzelnen Schritte der Behandlung und seine gemachten Beobachtungen genau erklären können und diese für sich selbst dokumentieren.
  5. Bei der Behandlung sollte er sich nicht nur auf den Rücken reduzieren, sondern alle Gelenke und Strukturen im Körper des Pferdes checken.
  6. Auch nach den Zähnen schaut der gute Osteopath. Wenn da etwas nicht in Ordnung ist, ist das Pferd unter anderem in Kiefer und Genick verspannt.
  7. Er sollte vorsichtig mit dem Pferd umgehen, Ruhe vermitteln, damit das Pferd entspannen kann. Hinzu kommt, dass bei Pferden mit Rückenproblemen oder Kissing Spines die ersten Behandlungen sehr schmerzhaft sein können. Man sieht heute in den Medien sogenannte Therapeuten, die mit Kraft, massivem Druck und Reißen Dehnungsübungen durchführen. Vermarktet wird das dann als notwendige Vorgehensweise. Jedoch führen diese Behandlungen in ganz vielen Fällen zu Verletzungen von Kleinststrukturen und nicht selten zu weiteren irreparablen Schädigungen.

Verletzungen der Kleinststrukturen – wie Faserrisse, massive Überdehnungen und Ähnliches – die sich meist erst nach Wochen durch eine Verschlechterung des Gesamtzustandes zeigen, werden dann kaum mehr mit dem groben Umgang der sich medienwirksam darstellenden Personen in Verbindung gebracht. Diese Behandlungen werden zwar heute in den Medien aufwendig vermarktet, aber dadurch sind sie nicht richtig! Im Gegenteil! Sie sind hochgradig gesundheitsschädlich und gefährlich für das Pferd!

Nach der Behandlung sollte der Therapeut das Pferd auf die Weide entlassen und nicht die Auflage machen, es für einige Tage in der Box einzusperren oder gar anzubinden.

Da es mit einer osteopathischen Behandlungen nicht getan ist, sollte einem der Therapeut verschiedene Übungen zeigen und diese als quasi tägliche Hausaufgabe bis zur nächsten Behandlung mitgeben. Dazu gehören unter anderem das-Aufwölben-lassen des Rückens, ggf. das Lockermachen der Halsfaszie, Schweifdehnen, Möhren an der Hinterhand abholen lassen, den Widerrist bewegen, das Becken kippen und ähnliches.

Die erste Nachbehandlung sollte je nach Situation 2-3 Wochen nach dem ersten Termin erfolgen.

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Massage und Lockerungsübungen helfen zusätzlich, Verspannungen zu lösen!

Massage – so wird’s locker

 

Der Freilauf ist für ein Pferd mit Rückenproblemen sehr wichtig. Denn je mehr Bewegung das Pferd hat, umso schneller können sich auch Verspannungen lösen. Ein dunkler Stall und wenig Bewegung machen die Situation für das Pferd nicht leichter. Auch bei der Fütterung kann man unterstützend eingreifen. Der Markt bietet heute vielfältige Möglichkeiten, durch Zugabe von Vitaminen und Mineralien, muskuläre Entspannung zu unterstützen. Je nach Situation ist das allerdings mit dem Tierarzt abzusprechen.

Wenn eine Grundentspanntheit erreicht ist, geht es an den Aufbau der Muskulatur. Oft ist es notwendig, dazu mit Longieren zu beginnen.

 

Longieren

Was das Longieren betrifft, gibt es sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Die einen longieren ausschließlich mit Kappzaum. Die Pferde sind dabei nicht ausgebunden, traben und galoppieren meist „auseinandergefallen“ auf der Vorhand im Kreis, was für den Muskelaufbau nichts bringt, denn das Hinterbein ist dabei im Allgemeinen wenig aktiv. Darüber hinaus kommt es damit nicht zur notwendigen Anlehnung.

Wieder andere verwenden starre Ausbinder oder gar den Zügel und vergessen dabei, wie groß die Belastung auf Maul und Genick ist. Zügel geben nicht nach, Ausbinder so gut wie gar nicht. Dem Pferd wird beim jeden Tritt ein Schlag ins Maul und aufs Genick versetzt. Das sorgt weder für Losgelassenheit, noch traut sich das Pferd, das Gebiss anzunehmen oder gar sich zu entspannen.

Ich persönlich longiere am liebsten mit einem Dreieckszügel. Dabei wird dieser so lang verschnallt, dass sich das Pferd an der Longe in die Tiefe strecken kann. Die Nase kann dabei vor die Senkrechte Höhe Buggelenk in Dehnungshaltung kommen. Sollte man wie ich mit Dreieckszügeln longieren, ist darauf zu achten, dass sie so verschnallt sind, dass das Pferd – sollte es übermütig sein – nicht in die Dreieckszügel hineinspringen kann. Das kann zu Verletzungen führen. Darüber hinaus sind Handschuhe und festes Schuhwerk Pflicht. Die Longierpeitsche dient dabei nicht dazu, das Pferd zu strafen, sondern dafür, das Hinterbein aktiv zu halten und ein mögliches Umdrehen des Pferdes an der Longe zu verhindern. Es gibt Pferde, die in Schmerz-/Stresssituationen an der Longe bocken oder steigen und dann auf dem Absatz kehrt machen. Das kann man mit Hilfe der Peitsche verhindern.

Verspannungen

So soll es sein. 6-jähriges Pferd in Dehnungshaltung an der Longe. In dieser Haltung kann sich der Rücken immer gut lösen. Muskeln arbeiten unverspannt!

 

Neben dem korrekten Longieren, hilft auch die Arbeit an der Hand. Hierbei kann man erste Lektionen wie Schenkelweichen, Halten-Rückwärtsrichten, daraus anführen und wieder Rückwärtsrichten üben. Zum einen helfen diese Übungen, Muskeln zu lockern und zum anderen kann sie das Pferd mit Unterstützung der Stimme schon einmal verinnerlichen. Später unter dem Reiter lernt das Pferd schnell, das Kommando mit der Hilfe zu verbinden. Wenn man die Arbeit an der Hand selbst nicht beherrscht, sollte man sich professionelle Unterstützung suchen. Dem Ausbilder sollte man dann erklären, dass es nicht um Piaffe und Passage geht, sondern um die Grundlagen des Lösens bei der Arbeit an der Hand. Die Arbeit an der Hand ist eine gute Ergänzung zur Arbeit unter dem Sattel, aber Fehler machen mehr kaputt als es bringt.

 

Zurück zu den Grundlagen!

Beim Reiten selbst heißt es jetzt erst einmal, zu den Grundlagen zurück zu kehren.

Dazu gehört als eine der wichtigsten Übungen überhaupt, die man bei jedem Training und auch bei jedem Ausbildungsstand immer wieder einbinden sollte: das Zügel aus der Hand kauen lassen.

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Demonstration eines fehlerhaften Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassens: Die Nase befindet sich hinter der Senkrechten. Das Pferd nimmt das Gebiss nicht an. So kann es sich nicht ehrlich loslassen.

 

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Foto: Katja Stuppia
Nahezu perfektes Zügel aus der Hand kauen lassen. Die Nase ist deutlich an der Senkrechten, der Rücken hergeben. Das Pferd kaut zufrieden bei geschlossenem Maul.

 

Um Zügel aus der Hand kauen lassen bis zur Perfektion zu üben, bietet sich auch die Arbeit im Gelände an. Ob auf großen gebogenen Linien, ob auf langen Wald- oder Wiesenwegen, Zügel aus der Hand kauen lassen ist ein unverzichtbares Werkzeug, das jeder Reiter beherrschen sollte und jedes Pferd erlernen muss.

Das Pferd lernt, den Rücken herzugeben, aktiv mit dem Hinterbein abzufußen, an die Hand heran zu treten und alle Muskeln korrekt zu belasten. Darüber hinaus kann es sich entspannen. Bei korrekt gerittenem Zügel aus der Hand kauen lassen kommt das Pferd in eine Dehnungshaltung, bei der sich die Nase Höhe Buggelenk an der Senkrechten oder idealerweise noch ein wenig davor befindet. Beim Zügel aus der Hand kauen lassen bis zur Schnalle sogar bis 10 cm über den Boden. Das Pferd tritt dabei aktiv mit dem Hinterbein unter den Schwerpunkt und der Rücken des Pferdes kommt zum Schwingen (man sagt auch, der Rücken ist hergegeben). Bei einem korrekt ausgeführten Zügel aus der Hand kauen lassen werden alle Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke im Körper des Pferdes korrekt belastet, Verspannungen gelöst, innere und äußere Losgelassenheit erreicht.

Da Zügel aus der Hand kauen lassen ein Kriterium für die korrekte Ausbildung eines Pferdes ist, sollte es zu den ersten Übungen gehören, die man in der Bahn wie im Gelände immer wieder einbindet, und zwar nicht nur zu Beginn und zum Ende des Trainings, sondern auch zwischendurch.

Noch vor 50-60 Jahren war es selbstverständlich, dass beim jungen wie beim alten Pferd während des Trainings mehrere Mal Zügel aus der Hand kauen lassen geritten wurde. Dabei kann und konnte sich das Pferd strecken, entspannen. Verspannungen, Rückenprobleme und Folgeerkrankungen gab es viel weniger als heute und das, obwohl die Pferde zu dieser Zeit bei weitem nicht die Rittigkeit aufwiesen, die für uns heute so selbstverständlich geworden ist.

Der Rücken ist das Bewegungszentrum des Pferdes. Ist dieser verspannt und kommt nicht zum Schwingen, kommt der Reiter weder zum Sitzen noch zum Treiben; noch können Lektionen korrekt ausgeführt werden. Das scheint heute mehr und mehr vergessen zu werden.

 

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Im leichten Sitz mit der inneren Hand vorzugeben, ist eine gute Kontrolle der Selbsthaltung des Pferdes.

 

Ob bei der Arbeit im Gelände, auf dem Platz oder in der Halle, es gilt immer:

  • Habe ich mich mit der Versammlung beschäftigt, muss danach ein Zulegen und ein Zügel aus der Hand kauen lassen erfolgen!
  • Habe ich Lektionen geritten, sollte das Rauskauen-lassen danach als Entspannung dienen!
  • Schrittpausen während des Trainings und zum Abschluss dienen zum Zügel aus der Hand kauen lassen bis zur Schnalle.
  • Lösungs- wie auch Abschlussphase eines jeden Trainings beginnen und enden mit Zügel aus der Hand kauen lassen in allen drei Grundgangarten. In Perfektion wird der Zügel dann bis fast zur Schnalle herauskauen gelassen!

Früher ging man sogar soweit, dass die junge Remonte fast ausschließlich am längeren Zügel geritten wurde und das über den Zeitraum des ersten, teilweise zweiten Ausbildungsjahres. Das vermied Verspannungen. Ausschließlich ältere Pferde mit entsprechendem Ausbildungsstand wurden mit kürzeren Zügeln und in Aufrichtung geritten und auch das nur phasenweise. Im versammelten Schritt, versammelten Trab und versammeltem Galopp mit gesenkter Hinterhand und in korrekter relativer Aufrichtung. Die Pferde beherrschten  irgendwann alle Lektionen, die wir heute in den höheren Ausbildungsklassen sehen. Nur vermutlich war die Ausführung der Lektionen im Vergleich zu heute losgelassen ….

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Richtiges Zulegen und Einfangen, bei dem die Nase an die Senkrechte  kommt, unterstützen die Losgelassenheit des Pferdes und sorgen dafür, dass es erst gar nicht zu Rückenproblemen kommt.
Beherrschen Reiter und Pferd Zügel aus der Hand kauen lassen, gehören auch Übergänge und Tempounterschiede (Zulegen und Einfangen) zu sinnvollen und gut nutzbaren Trainings-folgen. Dabei wird der Rücken locker, das Hinterbein aktiv und das Pferd konzentriert sich auf den Reiter. Beachtet man dabei die stete und gefühlvolle Anlehnung, sind Sitz und Einwirkung korrekt, sind Übergänge und Tempounterschiede ideal, um Rückenprobleme zu beseitigen.

Große gebogene Linien, Zirkel und das Reiten von Achten in der Lösungsphase verbessern nicht nur die Rippengeschmeidigkeit, sondern unterstützen auch das Geraderichten. Auch helfen sie dem Pferd, an den äußeren Zügel heranzutreten. Dabei ist es wichtig, dass die äußere Hand soweit vorgeht, dass die Stellung des Halses zugelassen wird, die Verbindung muss jedoch erhalten bleiben. Die innere Hand sollte so gefühlvoll einwirken ist, dass sie weder inneres Hinterbein noch innere Schulter blockiert, aber auch hier muss die Anlehnung erhalten bleiben. Denn die korrekte Anlehnung sorgt dafür, dass das Pferd mit aktiv abfußendem Hinterbein von hinten nach vorne in die Hand schwingen kann.

 

Kurz zusammengefasst!

Halbe Paraden:

Wie früher sind auch heute korrekte halbe Paraden, vermehrt am äußeren Zügel notwendig, damit das Pferd da Gebiss annehmen kann. Sie helfen darüber hinaus Pferde im Genick zum Nachgeben und zum Fallenlassen des Halses aufzufordern, Gangart und Tempo zu verringern, zu regulieren und das Gebiss anzunehmen, neue Lektionen und Übergänge einzuleiten, die Versammlung zu verbessern, zu erhalten und die relative Aufrichtung zu erreichen. Halbe Paraden werden in alle zwei bis drei Schritte, Tritte oder Sprünge vermehrt am äußeren Zügel gegeben und enden mit einem gefühlvollen Nachgeben der inneren Hand.

Die Lektionen:

Eigentlich ist es einfach. Man muss nicht unendlich viele Lektionen beherrschen oder reiten, um Rückenprobleme beim Pferd zu vermeiden. Allein Übergänge und Tempounterschiede, Seitengänge (wie Schulterherein, Travers, Renvers langgezogene Traversalen), gebogene Linien und das in Verbindung mit Zügel aus der Hand kauen lassen sorgen dafür, dass das Pferd durch den Körper schwingt, sich loslassen kann.

Der Sattel

„Die heute sehr gefragten Tiefsitzsättel sind ein weiteres Problem. Sie geben dem Reiter das Gefühl, er würde tief und fest im Sattel sitzen. Das einzige, was mit diesen Sattelsystemen jedoch erreicht wird, ist ein Feststellen des Beckens, ein Einklemmen des Reiters in einer quasi unbeweglichen Position. Darüber ist dann ein weiterer Grundstein für fehlerhaftes Einwirken gelegt. Und was noch viel schlimmer ist: Dadurch, dass man als Reiter in einem solchen Sattel nicht mehr locker mit der Bewegung des Pferdes mitschwingen kann, ist auch das Pferd in seiner Bewegung eingeschränkt. Verspannungen und erste Rückenprobleme sind die häufige Folge.

Sitz und Einwirkung

Steinbrecht schrieb in seinem Buch „Gymnasium des Pferdes“ schon im Jahre 1884 ausgiebig über Sitz und Einwirkung. Auch all’ die anderen großen Reitmeister der Vergangenheit maßen dem Sitz eine zentrale Bedeutung bei. An der Spanischen Hofreitschule müssen die Lehrlinge zu Beginn ihrer Ausbildung noch heute über Monate Sitzunterricht an der Longe nehmen, und zwar so lange, bis sie von der Hand unabhängig sitzen können. Erst dann dürfen sie in die „normale“ Reitbahn. Auch nach dieser Zeit gehört die permanente Sitzkorrektur über Jahre zur Ausbildung. Das beweist, dass der korrekte Sitz noch immer die Grundvoraussetzung ist, um gefühlvoll auf sein Pferd einwirken zu können und korrekte Hilfen geben zu können. Ein korrekter Sitz zeichnet sich dadurch aus, dass der Reiter im Schwerpunkt, losgelassen und unabhängig von der Hand sitzen kann. Dabei müssen Schultergelenk, Ellenbogengelenk, Handgelenk, Hüftgelenk, Kniegelenk und Fesselgelenk des Reiters locker sein. Eine gedachte gerade Linie von den Schultern bis zum Absatz als tiefster Punkt und vom Ellbogen bis zum Pferdemaul sollte man ziehen könne.

Die Hilfegebung

Eine richtige Hilfengebung ist nur über den korrekten Sitz möglich. Die Positionierung der Schenkel passend zur jeweiligen Übung und Lektion sowie die gefühlvolle Handeinwirkung sind Voraussetzung, dass sich ein Pferd loslassen kann. Korrekte und fast unsichtbare halbe Paraden ermöglichen dem Pferd

  1. a) das Gebiss anzunehmen und sich davon abzustoßen
  2. b) eine korrekte Anlehnung zu zeigen
  3. c) elastisch von hinten nach vorne durch den Körper zu schwingen
  4. d) sich im Ergebnis loszulassen.

Die Losgelassenheit

Losgelassenheit ist das, was es immer zu erreichen gibt. Denn nur bei einem losgelassenen Pferd arbeiten alle Muskeln unverspannt und das ist die Grundvoraussetzung, dass ein Pferd überhaupt gesund bleiben kann! Rückenprobleme entstehen aus Verspannungen. Bei einem losgelassenen Pferd entstehen sie somit erst gar nicht!

Wenn man diese grundlegenden Dinge berücksichtigt, sein Training für die Zukunft darauf abstellt, dass sich das Pferd innerlich und äußerlich loslassen und somit entspannen kann, dann verschwinden Rückenprobleme so schnell wie sie gekommen sind und Kissing Spines haben für die Zukunft keine Bedeutung mehr. Sie sind zwar da und werden es bleiben, aber sie tun dem Pferd nicht mehr weh und man kann es – wenn man möchte – bis auf S-Niveau ausbilden und bis in ein hohes Alter reiten….

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Es geht! 20-jähriger Wallach mit der Diagnose Kissing Spine im finalen Stadium!

 

Weiterführende Informationen mit vielen Tipps und Anregungen gibt es auch in meinem Buch „Über den Rücken – Pferde mit Rückenproblemen richtig reiten!“ Cadmos-Verlag, Schwarzenbek, 2011, ISBN 978-384041014-7

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Pampi

Zum Nachdenken

So reitet man ein dreijähriges Pferd?!

Als allererstes: Ein dreijähriges Pferd – auch wenn das überall mit Überzeugung vertreten wird – sollte man überhaupt nicht reiten! Für was auch? Es ist noch ein Baby.
Bevor jetzt alle auf die Barrikaden gehen, ist es sinnvoll über diese Aussage einmal in der Tiefe nachzudenken!
Gehen wir einfach einmal 50-60 Jahre zurück. Da wurden dreijährige Pferde überhaupt nicht geritten und das tat man nicht, weil die Pferde vor 50-60 Jahre noch anderes funktioniert haben oder ein anderes Skelett hatten, sondern man tat das nicht , da die jungen Pferde einfach noch zu unfertig waren. Knochen und Gelenke noch in der Entwicklung, die Muskulatur noch unterentwickelt und die Pferde massiv im Wachstum sind. Die logische Überlegung dahinter: Wenn ich später anfange, dann bleibt es länger gesund, da alles schon mehr gefestigt ist. Heute weiß man das alles besser?
Da schreiben Leute über 3,5 jährige Pferde die bei jedem Reiten klemmen. Dann ist es wohl zu viel und der Reiter macht (zu viel) falsch. Warum stellt man ein so junges Pferd dann nicht einfach wieder oder noch ein halbes Jahr länger auf die Weide. Vielleicht ist es nicht nur für den Körper, sondern auch für den Kopf zu viel….
Da reden Leute beim vierjährigen Pferd über Außengalopp und andere haben den vier-fünf-jährigen schon anpiaffiert. Ist das alles noch richtig? Wenn sich diese Äußerungen dann wenigstens auf die Bereiche reduzieren würden, in denen die „Profis“ ihr Geld verdienen müssen, da Kunden es fordern oder weil sie einfach irgendwie ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Dann kann ich das zwar noch immer nicht akzeptieren, aber noch irgendwie verstehen. Irgendwie muss der Kühlschrank gefüllt werden und die Miete bezahlt….
Man hört das aber vielfach von Menschen, die ihre Pferde nur für sich in der Freizeit reiten. Freizeit heißt für mich auch, wenn jemand irgendwo auf einem ländlichen Turnier herumreitet und sein Glück in einer A- oder L-Dressur versucht.
Warum muss also alles so schnell gehen? Und warum lässt sich kaum einer mehr Zeit?
Das Olympia-Pferd Stephan der Schweizer Reiterin Marianne Fankhauser-Gossweiler, die in den Jahren 64-68 eine der erfolgreichsten Reiterinnen weltweit war, ging seine erste Pirouette mit 13 Jahren… Dafür lief er dann mit 29 Jahren immer noch…..

Für mich ist es kein Zeichen für reiterliches Können, wenn jemand sein Pferd in jungen Jahren zu wie auch immer geartete Lektionen abrichtet. Reiterliches Können zeichnet sich dadurch aus, dass sich Menschen Zeit lassen und ihre Wünsche und Ziele den Möglichkeiten ihres Pferdes anpassen und vor allem auch begreifen, wo die Grenzen ihrer Pferde sind!
Die Qualität eines Reiters macht sich nicht durch den aufwendigen Trab eines Pferdes in der Diagonale bemerkbar oder durch die Zusammengezupfte hoppelnde Piaffe.
Qualität zeiget sich in der Losgelassenheit und Durchlässigkeit, in der Freude an der Bewegung und daran, dass sich Lektionen spielerisch und ohne Widerstand reiten lassen.
Widerstand heißt nämlich nicht, dass das Pferd keine Lust hat, sondern: ES LÄUFT ETWAS FALSCH!

Was man in der Jugend versäumt

… kann man im Alter nicht mehr nachholen. Kaum einer kennt diesen Satz nicht aus seiner Kindheit. Aber es steckt viel Wahres darin. Das gilt für die Erziehung und das richtige Reiten von Anfang an. Das gilt aber vor allem auch für den Huf. Er ist das Fundament auf dem alles steht. Stellungsfehler haben immer Folgen. Je nach Ausmaß früher oder später. In dem folgenden Artikel erklären wir zusammen mit dem Orthopädischen Hufbeschlagschmied Frank Diekmann, was wichtig ist und was man wissen sollte.

PDF: Hufe_wichtig_zu_wissen